"125 Jahre Berliner Afrika-Konferenz, erinnern – aufarbeiten – wiedergutmachen",
Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer der Kampagne "125 Jahre Berliner Afrika-Konferenz, erinnern – aufarbeiten – wiedergutmachen", liebe Anwesende,
während Politikerinnen und Politiker 20 Jahre Mauerfall feiern, darf nebenan im Deutschen Historischen Museum in einer Ausstellung nicht über neue Mauern gesprochen werden. So musste ein ursprünglich vorgesehener kritischer Text zur EU-Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen entfernt werden.
Kein Wunder!
Denn wer über die Abschottungspolitik der EU spricht, kommt an den Folgen nicht vorbei. Während als Ergebnis rigider Abschottungspolitik die Zahl der Asylanträge europaweit sinkt, werden die Ägäis, der Kanal von Sizilien, die Meerenge von Gibraltar und die See um die Kanarischen Inseln zum Grab für tausende Flüchtlinge. Die organisierte Verantwortungslosigkeit und Abschottung durch die militarisierte Grenzschutzagentur FRONTEX muss sofort beendet werden. Deshalb ist DIE LINKE, leider als einzige Partei, für die Abschaffung von FRONTEX!
Diese Flüchtlinge warten genau so auf eine offizielle Anerkennung wie Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner, die Opfer der verheerenden Folgen des Kolonialismus wurden.
Liebe Freundinnen und liebe Freunde,
125 Jahre nach der Afrika-Konferenz ist die Geschichte der Kolonisation nicht vorüber. Die einstigen Kolonisatoren behaupten bis heute ihre politische, ökonomische und militärische Vormachtstellung. Viele der einstigen Kolonien konnten bis heute dem Teufelskreis der Armut und Abhängigkeit nicht entkommen. Die Grundstruktur erzwungener Abhängigkeit ist geblieben, nur die Methoden haben gewechselt.
Dem so genannten freien Westen geht es nach wie vor um die weltweite Durchsetzung seines imperialistischen Interesses: Um die Einrichtung bürgerlich-kapitalistischer Staaten überall auf der Welt – und darum, nirgendwo alternative Herrschaftsformen, entstehen zu lassen. Es geht um die Optimierung der Verwertungsbedingungen des Kapitals, um politische Hegemonie. Und es geht um geostrategische Frontstellungen dort, wo Gebiete angrenzen, in denen die ökonomischen und politischen Interessen der Weltmächte noch nicht durchgesetzt werden können.
So ist auch der Koalitionsvertrag der CDU/CSU/FDP-Regierung durchzogen von der Willenserklärung zu deutschnationaler Interessensvertretung auf internationaler Bühne und der Ansage eines Kampfes der Kulturen als Teil der westlichen Staatengemeinschaft. Ganz unverhohlen steht im Koalitionsvertrag: "Auch in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts betrachten wir die Idee des Westens als Grundlage und seine Institutionen als Plattform deutscher Außenpolitik. In der Zeit der Globalisierung muss der Westen zu mehr Geschlossenheit finden, um seine Interessen durchzusetzen und gemeinsame Werte zu bewahren." Ziel ist also eine interessengeleitete Außenpolitik, die unter dem Deckmantel deutschnationaler Interessenvertretung deutsche Kapitalinteressen weltweit befördert.
Nach dem Kolonialismus hinterlässt nun die neoliberale Strategie der Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung verheerende Folgen in weiten Teilen der Welt. Dazu gehören
- eine Schuldenpolitik, mit der über so genannte Strukturanpassungsprogramme Preiserhöhungen und Privatisierungen erzwungen werden
- die Zerstörung lokaler Ökonomien, die immer weitere Verarmung nach sich zieht
- die Ausplünderung der Ressourcen und nicht zuletzt
- die direkte oder indirekte Unterstützung von Diktaturen und Warlords.
Liebe Freundinnen und liebe Freunde,
mag auch die Berliner Afrika-Konferenz vergangen sein; die Politik der Durchsetzung von Interessen mittels Gewalt wird fortgesetzt. Ganz aktuell am Beispiel Somalias zu sehen. Deutschland, die EU und die USA nutzen den angeblichen Kampf gegen die Piraterie um eigene geostrategische Interessen zu verfolgen. Internationale Standards werden ausgehöhlt und ausgehebelt. Kriminelle Einzelpersonen und Gruppen werden zu Zielen ganzer Streitkräfte. Kleine Boote werden auf verdacht versenkt, obwohl nichts gegen die Besatzung vorliegt –wie der jüngste Vorfall vom 13. Oktober unter Beteiligung der Bundeswehr zeigte.
Statt die strukturellen Ursachen der Piraterie zu bekämpfen und eine Verbesserung der sozialen Situation in Somalia als zwingende Voraussetzung für die wirksame Eindämmung von Piraterie zu verfolgen, wird nun eine Militärberatungsmission in Somalia von der EU vorbereitet um die Mission ATALANTA zu flankieren. So gibt es im Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen (RAA), der am 16. und 17. November tagt, Bestrebungen, neben der Bekämpfung der Piraterie durch die EU-Mission ATALANTA künftig auch Maßnahmen zur Bekämpfung der Ursachen der Piraterie an Land zu ergreifen.
Erwogen wird auch, Sicherheitskräfte Somalias – also das Militär und die Polizei – außerhalb des Landes auszubilden. Natürlich mit der Begründung, die politische Stabilität in Somalia fördern zu wollen. Die Diskussion in den ratsvorbereitenden Gremien ist zwar noch in vollem Gange, doch ist es das Ziel der derzeitigen Präsidentschaft, dem Rat ein entsprechendes Krisenmanagement-Konzept vorzulegen.
Das heißt: Die EU will sich an der Ausbildung tausender somalischer Soldaten beteiligen. Und Deutschland hat schändlicherweise bereits Unterstützung angekündigt!
Die Politik des Imperialismus wird augenscheinlich fortgeführt.
Umso mehr braucht es der kritischen Reflexion der kolonialen Vergangenheit und rassistischen Prägungen der Gesellschaft. Und damit wir ein Stück weiterkommen, sollten wir die Chance dieser Kampagne nutzen, um:
- die historischen und aktuellen Zusammenhänge in das öffentliche Bewusstsein rücken,
- Schlussfolgerungen und Forderungen für die Gegenwart und
- Perspektiven zu entwickeln, in der "die freie Entwicklung jedes Einzelnen" als „Bedingung für die freie Entwicklung aller" möglich ist.
Leisten wir also Widerstand gegen die neuen Mauern und zeigen unsere Entschlossenheit, sich nicht mit der schlechten Realität abzufinden. Denn egal, wie hoch die Mauern gezogen werden, wie technisch ausgefeilt die Überwachungsmethoden auch sein mögen – solange Menschen entschlossen sind, diese Mauern zu überwinden, sollten wir sie mit der gleichen Entschlossenheit willkommen heißen!
Und stellen wir uns ebenso entschlossen und mutig gegen Neokolonialismus und Neoimperialismus!
Danke für die Aufmerksamkeit!