„Hören Sie auf Waffen an die Türkei und Saudi-Arabien zu liefern“


Rede von MdB Sevim Dagdelen im Deutschen Bundestag anlässlich der Debatte zur Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE. „Fortgesetzte Militärkooperation mit Saudi-Arabien und der Türkei“ am 14. Januar 2016

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung – so haben wir es von den koalitionstragenden Fraktionen gehört – will weiterhin die Bundeswehr, Rüstung und Waffen in die Türkei schicken. Doch was für ein Land ist eigentlich die Türkei? Wie sieht es in diesem Land aus?

Die Türkei ist das Land, in dem der türkische Staatspräsident Erdogan einen Krieg gegen die Kurden führt. Das Auswärtige Amt hat gestern im Auswärtigen Ausschuss selbst betont, dass schon über 200 Zivilisten von türkischen Sicherheitskräften getötet worden sind.

Die Türkei ist das Land, in dem gestern Herr Erdogan 1 128 Akademiker, die an türkischen Universitäten lehren, mit Entlassung und Strafverfolgung bedroht hat. Und warum? Weil sie einen Appell für Freiheit und Deeskalation insbesondere im Osten der Türkei initiiert haben. Die Türkei, das ist das Land, das die Grenze für weiteren Nachschub von Kämpfern und Waffen für die Terrororganisation „Islamischer Staat“ in Syrien offen hält.

Herr de Maizière, es geht nicht um eine 1 000 Kilometer lange Grenze, wie Sie gestern im Fernsehen erklärten, sondern es geht lediglich um eine 100 Kilometer lange Grenze zum IS. Und Sie wollen uns hier weismachen, dass die zweitgrößte NATO-Armee mit 900 000 Sicherheitskräften seit Jahren nicht in der Lage ist, eine 100 Kilometer lange Grenze zu schließen? Ich biete Ihnen allen hier in diesem Haus an, mit Ihnen in die Region zu reisen. Ich werde Ihnen zeigen, wie kurz die Grenze ist und wie einfach man die Grenze schließen könnte, wenn man den Nachschub für den IS tatsächlich stoppen wollte.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Türkei ist das Land, in dem der „Islamische Staat“ regelrecht hochgezüchtet wurde. Die Türkei ist das Land, von dem der Bundesnachrichtendienst berichtet, dass es Waffen an islamistische Terrorbanden in Syrien liefert. Die Türkei ist das Land, in dem der Chefredakteur der Tageszeitung Cumhuryiet, Can Dündar, seit fast zwei Monaten im Gefängnis sitzt, weil er Dokumente veröffentlicht hat, die die Verwicklung der türkischen Regierung in die Waffenlieferungen an islamistische Terrormilizen in Syrien belegen. Die Türkei ist das Land, das unter Bruch der Genfer Flüchtlingskonvention und internationalen Rechts syrische Flüchtlinge in das Bürgerkriegsland abschiebt und dafür von der EU und von Ihnen mit 3 Milliarden Euro belohnt wird. Ich weise auf die heutige Monitor-Sendung in der ARD um 21.45 Uhr hin, in der genau hierfür Belege geliefert werden.

Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser Situation? Sie zieht gar keine Konsequenzen daraus. Ich sage Ihnen: Wer will, dass deutsche Waffen weiterhin in die Türkei Erdogans geliefert werden, der ist nicht nur politisch verantwortlich für diese Lieferungen, mit denen Erdogan Krieg gegen die Kurden führt. Er ist meiner Meinung nach auch persönlich verantwortlich. Er trägt persönlich eine Mitverantwortung für die Verbrechen, die an der Zivilbevölkerung im Osten der Türkei begangen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie legen mit an gegen die Kurden in der Türkei. Deshalb fordern wir von der Linken: Stoppen Sie die Waffenexporte in die Türkei! Kein Cent und keine Waffe an den Terrorpaten Erdogan!

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung will auch weiter Waffen an den Terrorstaat Saudi-Arabien liefern. Wie sieht die Situation dort aus? Massenhinrichtungen, man muss sagen: Massenschlächterei, wie beim „Islamischen Staat“, ein Angriffskrieg gegen den Jemen, Unterdrückung der eigenen Bevölkerung, Export islamistischen Terrors weltweit und Destabilisierung der gesamten Region, wie selbst der Bundesnachrichtendienst mitgeteilt hat. – So sieht es aus, wenn man nur ein paar Stichpunkte nennt. Und Sie? Was machen Sie? Sie machen weiter wie bisher und liefern Waffen an diese blutige Diktatur in Saudi-Arabien.

Als ich vor kurzem auf einer Reise mit Herrn Frank-Walter Steinmeier versuchte, ein Treffen mit dem geistlichen Führer der Schiiten Nimr al-Nimr und seinem 20-jährigen Neffen Ali al-Nimr, der ebenfalls verurteilt wurde, zu organisieren, hat mir das Auswärtige Amt diesen Termin versagt. Und wissen Sie, mit welcher Begründung? Sie meinten, der Schlächter Salman, der König dieser monarchistischen Diktatur, würde eventuell verstimmt werden, wenn eine Abgeordnete der Opposition es aus menschenrechtspolitischer Sicht für notwendig erachtet, sich mit diesen Gefangenen zu treffen. Ich finde einen solchen Umgang mit einem saudischen Terrorstaat unerträglich. Das zeigt, dass Ihnen jedweder Wertekompass verloren gegangen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben keine Koordinaten mehr in Ihrer Außenpolitik. Die Linke fordert Sie deshalb auf: Kehren Sie um! Eine Außenpolitik muss sich an Humanität, Gerechtigkeit und der Einhaltung von Menschenrechten ausrichten. Deshalb: Stoppen Sie die Rüstungsexporte! Stoppen Sie die Waffenlieferungen an die Türkei und Saudi-Arabien! Dabei – da bin ich mir sicher – haben Sie auf jeden Fall die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung. Hören Sie auf, diese Terrorpaten zu unterstützen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das könnte dich auch interessieren …