8. März: Frauen werden nicht für die Krise des Kapitalismus zahlen!

von Sevim Dagdelen, Migrationspolitische Sprecherin DIE LINKE. im Bundestag

Es gibt wenige Gedenk- und Feiertage, die als Erbe der internationalen ArbeiterInnenbewegung sich der ideologischen Angriffe des Kapitalismus erwehren konnten und das letzte Jahrhundert überlebt haben. Der 1. Mai gehört dazu – und der Internationale Frauentag, der seit knapp 100 Jahren jedes Jahr am 8. März gefeiert wird. Das weltweit herrschende kapitalistische System versuchte immer wieder dieses Erbe aus der Welt zu tilgen oder von seinen Ursprüngen zu isolieren. Ganz gelungen ist es nicht.

In Europa beschloss die II. Internationale Sozialistische Frauenkonferenz (100 Delegierte aus 17 Ländern) auf Initiative von Clara Zetkin am 27. August 1910 in Kopenhagen die Einführung eines jährlichen Internationalen Frauentages für die Interessen der Frauen gegen mehrfache Ausbeutung und Unterdrückung. Auch knapp 100 Jahre danach wird der Internationale Frauentag als ein Tag des Kampfes für die Gleichstellung von Mann und Frau begangen. Die ArbeiterInnen- und Frauenbewegung konnte in dieser Zeit viele soziale und rechtliche Veränderungen herbeiführen. Nicht wenige ihrer Forderungen warten jedoch noch immer auf ihre Durchsetzung. Ein Blick auf die zentralen Forderungen des Ersten Internationalen Frauentages am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA macht dies deutlich: Der Kampf gegen imperialistische Kriege sowie für Arbeitsschutzgesetze, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, ausreichenden Mutter- und Kinderschutz und gesetzlich festgelegte Mindestlöhne. Heute wie vor 100 Jahren.

Im Jahr 1 der derzeitigen kapitalistischen Weltwirtschaftskrise steigt die Bedeutung des 8. März als ein internationaler Kampftag. Denn die VerliererInnen der Krise sind in erster Linie wir Frauen. Während die Regierungen weltweit Rettungspakete schnüren, um mehrere Hundert Milliarden Euro den Verantwortlichen der Krise in den Rachen zu stecken, bleiben Beschäftigte – und allen voran wir Frauen – auf der Strecke. Denn wir Frauen sind es, die

– 80 % der zu Armutslöhnen Beschäftigten ausmachen,

– aus den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen heraus- und in Mini- und Midijobs gedrängt werden,

– im Niedriglohnsektor überdurchschnittlich vertreten sind,

– von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich betroffen sind,

– und zur Zahlung der Krisenlasten als erste zur Kasse gebeten werden.

Dies alles betrifft Migrantinnen in besonderer Weise, wie es der aktuelle 3. Armutsbericht der Bundesregierung auch zeigt. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wird zusätzlich von einer rassistischen überlagert. Der erschwerte Zugang zu Erwerbstätigkeit und fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten führen bei Migrantinnen dazu, dass sie mit 28,5 % deutlich höher von Armut bedroht sind als Frauen ohne Migrationshintergrund (12,2 %). Auch die Erwerbslosenquote ist mit 10 Prozent deutlich höher (Vergleichswert 6,7%). Migrantinnen sind überproportional bei den geringfügig Beschäftigten vertreten. 36% aller abhängig beschäftigten Migrantinnen ohne deutschen Pass arbeiteten 2006 in Minijobs und kurzfristigen Arbeitsverhältnissen, bei den Frauen mit deutschem Pass waren es 28%. Auch mit einem qualifizierten ausländischen Ausbildungsabschluss finden Migrantinnen meist nur schlecht bezahlte Jobs, weil ihre Abschlüsse in der Bundesrepublik nicht anerkannt werden. So ist es für sie sehr schwer die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes nachzuweisen, die aber notwendig ist, um ihren dauerhaften Aufenthaltstatus zu sichern.

26,3% aller allein erziehenden Migrantinnen sind auf Sozialhilfe angewiesen. Sie schränkt die Frauen in ihrer Selbständigkeit und Selbstbestimmung ein. Bei Flüchtlingsfrauen grenzt zusätzlich die Residenzpflicht während dieser Zeit die Bewegungsfreiheit auf die Kommune oder den Landkreis ein. Somit beschränkten sich ihre sozialen Kontakte häufig auf das unmittelbare Umfeld.

Die hier dargestellte Situation und die zu erwartenden Folgen der Wirtschaftskrise machen vor allem eins deutlich: Frauen müssen ihren Kampf um ein gutes und gleichberechtigtes Leben über die Grenzen der Herkunft und Sprache hinweg gemeinsam organisieren. Denn ob mit oder ohne Migrationshintergrund – für ein gutes Leben sind wir aufeinander angewiesen. Deshalb sollten wir den 8. März auch zum Anlass nehmen, diesen gemeinsamen Kampf zu führen.

Clara Zetkin, eine der wichtigsten Befürworterinnen des Internationalen Frauentages, ist Namensgeberin für den Sitzungssaal der Linksfraktion im Bundestag. Dort hängt ein Plakat mit einem Bild und der Losung dieser großen Sozialistin: "Lassen wir uns nicht schrecken durch die Ungunst äußerer Umstände, haben wir für alle Schwierigkeiten nur eine Antwort: Erst recht!" Dem können Frauen nichts mehr hinzufügen – ob mit oder ohne Migrationshintergrund.