Analyse ohne Handeln bringt uns der Lösung keinen Schritt näher

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Grindel, es war nicht anders zu erwarten: Sie haben, als Sie aus der Studie des Berliner Instituts zitierten, das zitiert, was Ihnen opportun erschien, aber nicht das, was darüber hinaus darin stand. Sie haben gesagt, dass vor allem die Sprache wichtig ist, und die Situation geschildert. Sie haben aber versäumt, zu sagen, dass es bei Menschen mit Migrationshintergrund gerade der ausländische Pass ist, der die Arbeitsvermittlung erschwert. Bei all den Punkten ist die Mehrheitsgesellschaft gefordert, offener auf die Migranten zuzugehen, um deren Potenziale für die Gesellschaft besser zu nutzen. Es steht auch in dieser Studie, dass kostenlose Kindergartenplätze und pädagogisch geschultes Personal zur Sprachförderung in den Kindergärten unerlässlich sind, und es steht in der Studie, dass Schulen zu ganztägig offenen Integrationszentren ausgebaut werden sollen, wie es die Linke seit eh und je fordert. Außerdem spricht sich die Studie für eine Einbürgerung von hier Geborenen nach dem Ius-Soli-Prinzip aus, wie es in Frankreich oder in den Vereinigten Staaten üblich ist, um sie von Anfang an willkommen zu heißen und ihnen zu zeigen, dass sie gebraucht werden. Genau das wollen Sie verhindern. Sie wollen sogar das Optionsmodell abschaffen und wieder zum Abstammungsprinzip kommen.

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Das ist unglaublich!)

Das haben Sie, Herr Grindel, hier zu sagen versäumt. In der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage wird festgestellt, dass die Erwerbsquote von Frauen ohne Migrationshintergrund im Durchschnitt um 10,6 Prozentpunkte höher als von Frauen mit Migrationshintergrund ist. Kein Wort aber davon, dass dies zum Beispiel in den 70er-Jahren umgekehrt war. Da wiesen Migrantinnen eine Erwerbsbeteiligung auf, die erheblich über der deutscher Frauen lag. Dies galt laut Statistischem Bundesamt gleichfalls für verheiratete Frauen ausländischer Nationalität. Ihre Erwerbsquote lag mit 64 Prozent gleichfalls wesentlich höher als die deutscher Ehefrauen mit 40 Prozent. Frauen mit Migrationshintergrund wurden und werden zunehmend aus der Erwerbsarbeit gedrängt, so heißt es, und in geringfügige Beschäftigung, ungeschützte Arbeitsverhältnisse sowie Arbeitslosigkeit und den Verzicht auf Erwerbsarbeit gedrängt. Zum Teil arbeiten sie weit unterhalb ihres Qualifikationsniveaus. Herr Grindel, Sie sagten, man müsse Integrationsschätze heben. Das hat die Bundesregierung vor einer Stunde nicht gemacht. Sie hat einen Antrag zur Anerkennung von Bildungs- und akademischen Abschlüssen, die im Ausland erworben wurden, wovon eine halbe Million Menschen betroffen ist, gerade Frauen, Spätaussiedler, russische Ärztinnen, die hier in diesem Lande putzen müssen, weil ihre Abschlüsse nicht anerkannt werden, abgelehnt. Daran möchte ich Sie erinnern. Das Problem ist auch, dass gerade Migrantinnen mit Kindern oftmals in gewalttätigen Beziehungen ausharren, um ihr Aufenthaltsrecht nicht zu verlieren. Da sage ich: Wenn die Bundesregierung einen Integrationswillen hätte, dann müsste sie doch für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht dieser Frauen streiten und ihnen dieses geben,

(Beifall bei der LINKEN – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Gibt es doch!)

damit sie nicht in diesen Gewaltbeziehungen enden.

(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das ist doch geregelt!)

Ferner werden Übermittlungspflichten von der Bundesregierung nicht aufgehoben, was Frauen, die illegalisiert werden, Frauen ohne Papiere in Deutschland betrifft. Mit der Aufhebung könnte man diesen Frauen helfen, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Im Zusammenhang mit der Diskussion über Zwangsverheiratung und Zwangsehen haben Sie durch die Novellierung des Zuwanderungsgesetzes den Ehegattennachzug erschwert. Sie konnten aber bisher nicht einen Fall benennen, wo Sie die Zwangsverheiratung bzw. die Zwangsehe verhindert hätten. Ich möchte an die Sachverständigenanhörung im Familienausschuss erinnern, wo zum Beispiel gesagt wurde: Was die Frauen brauchen, ist ein Rückkehrrecht. – All das wurde von der Bundesregierung bisher nicht umgesetzt. Wenn Sie etwas für die Frauen tun wollen, bitte ich Sie, dies zu tun. Die Fakten und die Konzepte liegen auf dem Tisch.

(Beifall des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bedauerlich ist auch – damit komme ich zum Schluss –, dass die Bundesregierung nur das tut, was sie in der Vorbemerkung geschrieben hat, nämlich: … die … zur Verfügung stehenden Kenntnisse über die Situation von Frauen mit Migrationshintergrund in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der gestellten Fragen zusammenfassend darzustellen. Und so beschreibt sie eine desaströse soziale Situation von Migrantinnen. Doch die Zusammenhänge mit der eigenen Politik werden mit dem Deckmäntelchen des Verschweigens von Ursache und Wirkung verdeckt. Auf diese Weise sind wir von einer Lösung weit entfernt.

(Beifall bei der LINKEN)