Auch bei der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse ist das Motto der Bundesregierung: Worte statt Taten
In das Hohehlied der FDP auf das voll „wettbewerbsfähige deutsche Bildungs- und Qualifizierungssystem" kann DIE LINKE nun wahrlich nicht einstimmen. Denn dieses deutsche Bildungs- und Qualifizierungssystem ist sozial selektiv und ungerecht.
Wir halten ein Bildungssystem, in dem Kinder mit Migrationshintergrund aufgrund von Sprachschwierigkeiten überproportional oft in eine Sonderschule überwiesen werden oder trotz gleicher Leistungen keine Weiterempfehlung erhalten nicht für akzeptabel. Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund bleibt der Zugang zu weiterführenden Schulen und Hochschulen weitgehend verwehrt. Nach wie vor sind sie an Hauptschulen überrepräsentiert, an Realschulen und Gymnasien unterrepräsentiert. Es ist skandalös und nicht hinnehmbar, dass Herkunft und Geldbeutel über den Bildungs- und damit maßgeblich den Lebensweg von Menschen entscheiden.
Genau das ist ja Gegenstand der in dieser Woche durchgeführten bundesweiten Bildungsstreiks, die sich gegen die derzeitigen Zustände und Entwicklungen im Bildungssystem richten, für einen freien Bildungszugang und die Abschaffung von sämtlichen Bildungsgebühren wie Studiengebühren, Ausbildungsgebühren und Kita-Gebühren.
Dass die FDP derartige Forderungen nicht unterstützt, liegt einfach in der Logik, Menschen nur noch auf ökonomisch interessante Größen zu reduzieren. Und genau diese Logik steckt auch hinter dem Antrag der FDP. Es geht der FDP nicht so sehr darum, dass durch die Nichtanerkennung von Schul-, Hochschul- und Berufsabschlüssen für tausende Menschen in der Bundesrepublik die Möglichkeit extrem eingeschränkt wird, ein selbstbestimmtes Leben durch ein gesichertes Auskommen zu führen.
Nein!
Wie selbstverständlich wird Migrantinnen und Migranten vordergründig die Aufgabe zugesprochen, Deutschlands demografische Pyramide nicht nur vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen, um perspektivisch für die alternde Gesellschaft kulturelle Konsumangebote und ökonomische Dienstleistungen gewährleisten zu müssen, sondern auch den deutschen Wirtschaftsstandort in der globalen Konkurrenz zu sichern. Die einen, indem ihre Abschlüsse zum Wohle der deutschen Wirtschaft anerkannt werden. Die anderen, indem sie nach nationalen Verwertungsgesichtspunkten hierarchisiert und nach ihren sozioökonomischen Nutzwert für die deutsche Gesellschaft „sortiert" mittels des im Antrag geforderten Punktesystems in die Bundesrepublik kommen dürfen.
Dass es der FDP nicht um die ca. 500.000 Betroffenen an sich geht, beweist allein der Umstand, dass sie den Antrag der LINKEN zur erleichterten Anerkennung von im Ausland erworbenen Schul-, Bildungs- und Berufsabschlüssen – mit der Drucksache 16/7109 – gerade erst am 29. Januar 2009 abgelehnt hat. Darin hatte die Linksfraktion zahlreiche konkrete Vorschläge, etwa zur Teilanerkennung und Ergänzungsqulifizierung, zu vereinfachten (praktischen) Anerkennungsverfahren, zu vereinfachten Abschlussprüfungen usw. gemacht.
Genauso unglaubwürdig wie die FDP sind aber auch die Regierunsgfraktionen und die Integrationsbeauftragte des Bundes, Böhmer, als Interessenvertretung der Betroffenen.
Denn unser Antrag ist bereits vom November 2007. In der ersten Lesung musste der Kollege Weinberg von der CDU einräumen, dass das Anerkennungswesen für im Ausland erworbene Berufs- und Hochschulabschlüsse in Deutschland unübersichtlich ist und verwies wie die Kollegin Multhaupt von der SPD auf die Absichtserklärungen im Nationalen Integrationsplan. Bei der Vorstellung der Studie "Brain Waste" wiederholte Staatsministerin Böhmer in ihrer Presseerklärung vom 8. Mai 2008 indirekt unsere wesentlichen Forderungen, in dem sie „transparente, bundesweit vergleichbare und zügige Verfahren zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen" als notwendig erachtete, auf die „künftig alle Zugewanderten einen Anspruch haben" sollten. Das EU-System der Teilanerkennungen und Anpassungsqualifikationen solle auf andere Migrantinnen und Migranten übertragen werden. Fünf Monate später war sie aber immer noch nur bei guten Vorsätzen und erklärte gegenüber dem FOCUS vom 28. Oktober 2008, sie wolle den „Anerkennungsdschungel lichten".
Dann durften wir bis zum 10. Februar 2009 warten, bis uns die nächste Sprechblase der Staatsministerin Böhmer in Sachen Anerkennungsverfahren erreichte. Gegenüber der Berliner Zeitung äußerte sie, sie arbeite gemeinsam mit der Bundesregierung an einer Gesetzesänderung zur Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Anerkennung von beruflichen Qualifikationen. Dies wurde dann von ihr im Innenausschuss am 3. März 2009 mit Hinweis auf Anerkennungsverfahren wie in Dänemark bzw. wie bei SpätaussiedlerInnen wiederholt.
Nun weder haben wir ein den Parlamentarierinnen und Parlamentariern für Ende des Jahres 2008 zugesagtes Konzept des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge „zur beruflichen Integration zugewanderter Akademikerinnen und Akademiker" gesehen, „was unter anderem auch die Optimierung der Anerkennungsverfahren sowie der Angebote zur fachlichen und sprachlichen Nachqualifizierung" vorsieht gesehen, noch sind den vielen Ankündigungen irgendwelche Taten gefolgt. Auch die heute nun von der Staatsministerin sowie die Ministerien für Wirtschaft, Bildung und Inneres in Berlin vorgestellten Eckpunkte zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen und Hochschulabschlüsse muss als plumpes Wahlkampfmanöver erscheinen, um von den desaströsen Ergebnissen der Integrationspolitik der Bundesregierung und insbesondere der Integrationsbeauftragten abzulenken. Die Folgen können seit Jahren beobachtet werden und sind in vielen Berichten und Studien wie den Berichten über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, den Nationalen Bildungsberichten oder zuletzt dem Integrations-Indikatorenbericht dargestellt.
Die Staatsministerin wäre auch nicht sie selbst, wenn ernsthaft die Gefahr bestände, dass sie ihren diesbezüglichen Ankündigungen tatsächlich Taten folgen lassen würde. Taten sind wir von Frau Böhmer auch nur gewöhnt, wenn es zum Nachteil der Migrantinnen und Migranten ist, wie die Verschärfungen bei der Novelle zum Zuwanderungsrecht im Allgemeinen und beim Ehegattennachzug und bei Einbürgerungen im Konkreten. Insofern mutet dieser für Frau Böhmer fast „blinde Aktionismus" dann doch gar nicht mehr so ungewöhnlich an, denn natürlich kann geplante Gesetzesänderung bzw. vorgesehenen Verfahrensvereinfachungen allerdings erst in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt werden. Nun, für die Migrantinnen und Migranten kann man da nur hoffen, dass dann nicht mehr Frau Böhmer ihre Interessen vertreten soll.