Aufruf zur Abschaffung des Optionszwangs
Zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter Rita Süssmuth, Hans-Jochen Vogel sowie Repräsentanten von Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen und der Evangelischen und Katholischen Kirche fordern unter der Leitung des Interkulturellen Rates in Deutschland mit dem Aufruf„”Sie gehören zu uns! – Wider den Optionszwang für Kinder unseres Landes” die sofortige Abschaffung des Optionszwangs im Staatsangehörigkeitsrecht.
Der im Jahr 2000 im Staatsangehörigkeitsrecht verankerte Optionszwang führt dazu, dass Kinder nichtdeutscher Eltern, die mit ihrer Geburt auch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben, sich mit Vollendung des 18. Lebensjahres zwischen der deutschen und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern entscheiden müssen. Seit Januar 2008 gibt es die ersten jungen Erwachsenen, die vom sogenannten Optionszwang betroffen sind, von Jahr zu Jahr werden es mehr.
Wider den Optionszwang – Interkultureller Rat
„Alle Deutschen dürfen mit der Vollendung des 18. Lebensjahres wählen – und manche werden zu einer Wahl gezwungen: Sie sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sie leben als Deutsche in Deutschland. Doch im Unterschied zu ihren gleichaltrigen Landsleuten müssen sie sich für oder gegen die Staattsangehörigkeit ihres Landes entscheiden: Zehntausende junge Erwachsene fallen in den kommenden Jahren unter den Optionszwang des deutschen Staatsangehörigkeitsrechtes. Sie sind Deutsche auf Abruf – bis zum Widerruf.“, so der Interkulturelle Rat.
SPD: Optionsregelung im Staatsangehörigkeitsrecht muss weg!
Anlässlich der Aktion erklärte die SPD, dass sie „mit ganzem Herzen den Aufruf des Interkulturellen Rates in Deutschland unterstützt. Die SPD wollen ebenso, dass Kinder, die in Deutschland geboren sind und deren ausländischen Eltern ihren Lebensmittelpunkt seit langem in Deutschland haben, automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen – und sie auch behalten!
„Mit unserer Reform des Staatsangehörigkeitsrecht 2000 haben wir den überfälligen Anlauf unternommen, dass Staatsangehörigkeitsrecht vom nationalistischen Mief der Kaiserzeit zu befreien (1913 in Kraft getreten!). Neben das bis dahin allein geltende Abstammungsprinzip sollte gleichberechtigt das Territorialprinzip treten: Deutscher ist grundsätzlich, wer von deutschen Eltern abstammt oder in Deutschland geboren ist.“, so die SPD.
Aufgrund der Verweigerung von CDU/CSU in Bundestag und Bundesrat sei die SPD zu der heute vorliegenden Optionsregelung gezwungen worden. Auch in der großen Koalition seien alle Anläufe der SPD „sabotiert“ worden.
Diese Regelung spalte. Sie trage unnötige und oft tief greifende Konflikte in ganze Familien hinein. Diese Regelung müsse ersatzlos gestrichen werden. Die SPD akzeptiere doppelte Staatsbürgerschaften. Die SPD wolle, dass sich die Menschen selbstbewusst mit Deutschland und auch mit ihrer Herkunft identifizieren können. Allen müsse klar sein: „Das ist mit der Union an keiner Stelle zu erreichen.“
Bei einer Anhörung im Deutschen Bundestag im Dezember letzten Jahres hatten – bis auf den Gutachter der Unionsfraktionen – alle Sachverständigen die Abschaffung der Optionsregelung empfohlen.
Die Grünen: Verlust der Staatsbürgerschaft stoppen
Auch die grüne Bundestagsfraktion begrüße den Aufruf ausdrücklich, denn integrationspolitisch sei der sogenannte Optionszwang völlig verfehlt. Integration bedeutet Teilhabe durch gleiche Rechte und Pflichten. Um dies zu erreichen, müsste der Erwerb der Staatsbürgerschaft gefördert werden, nicht ihr Verlust. „Daher haben wir auch einen entsprechenden Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht.“, so die Grünen.
Zwar sei das Staatsangehörigkeitsrecht 1999 unter Rot-Grün gründlich modernisiert und das Geburtsrecht eingeführt worden, damit in Deutschland geborene Kinder nichtdeutscher Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit von Geburt an erhalten. Aber der schwarz-gelb dominierte Bundesrat habe der Reform damals nur unter der Bedingung zugestimmt, dass bei Volljährigkeit zwischen der deutschen Staatsangehörigkeit und derjenigen der Eltern gewählt werden muss.
Die SPD setze sich in ihrem Bundestagswahlprogramm wortgewaltig für den Doppelpass ein. Beide Parteien würden in Kürze Gelegenheit erhalten, Farbe zu bekennen: „Wir Grünen werden in der kommenden Sitzungswoche im Bundestag unseren Gesetzentwurf zur Abschaffung des sogenannten Optionsmodells zur Abstimmung stellen. Dann gilt es, Gesicht zu zeigen – für Integration und gegen Ausgrenzung!“
Außerdem, so die Grünen, müssten auch die Einbürgerungsbedingungen verbessert werden, um dem Ziel der rechtlichen Integration gerecht zu werden. Der jahrelange Rückgang der Einbürgerungszahlen zeige: „Noch immer ist es in Deutschland zu schwierig, die Staatsbürgerschaft zu erlangen und zu einfach, sie zu verlieren.“
Die Linke: SPD setzt im Wahlkampf auf Vergesslichkeit der Migranten
“Die SPD baut offenbar auf die Vergesslichkeit von Migrantinnen und Migranten. Im Wahlkampf ist sie plötzlich zu Dingen bereit, die sie noch vor gar nicht allzu langer Zeit im Bundestag rundweg abgelehnt hat. Bestes Beispiel dafür ist die Abschaffung der so genannten Optionspflicht und die damit verbundene generelle Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft. Das ist heuchlerisch und verlogen”, kommentierte Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, die ungewöhnlich heftige Kritik der SPD an der Optionsregelung. Die SPD propagiere die generelle Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft nicht zum ersten Mal. Die Linke hingegen unterstütze den Aufruf.
“Die gleichlautenden Versprechungen der SPD hingegen kann man nicht ernst nehmen. Immerhin war es die rot-grüne Bundesregierung, die gemeinsam mit der Union die jetzt geltende Regelung einführte. Unsere Anträge zur Abschaffung des Optionszwangs und für ein kommunales Wahlrecht für Menschen aus Nicht-EU-Staaten wurden dagegen abgelehnt.“, so Dagdelen.
Bundesregierung gegen generelle Mehrstaatigkeit
Unterdessen empfahl der Innenausschuss mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und FDP dem Bundestag am 23. Juni 2009, den Gesetzesentwurf der Grünen zur Streichung der Optionsregelung aus dem Staatsangehörigkeitsrecht, abzulehnen.
Auch teilte die Bundesregierung bereits am 9. Juni 2009 in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke mit, dass sie “für den Regelfall” an der Vermeidung von Mehrstaatigkeit festhalte. Das Anfang September 2005 für Deutschland in Kraft getretene Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit überlasse es den Vertragsstaaten, ob sie Mehrstaatigkeit vermeiden wollen.
Dies, obwohl noch Mitte Juni das Statistische Bundesamt mitgeteilt hatte, dass im vergangenen Jahr 13 503 von insgesamt 14 029 EU-Bürgern (96,3 %) unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert wurden. Bei Bürgern aus den sog. “EWR-Staaten/Schweiz“ betrug die Einbürgerungsquote unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit über 95 %, bei Bürgern aus den übrigen europäischen Ländern 51,4 %, bei Afrikanern 62,7 %, bei Amerikanern 74,9 %, bei Asiaten 62,8 % und 87,7 % bei Bürgern aus Australien und Ozeanien.