Ausländerwahlrecht bleibt umstritten

Anhörung im Innenausschuss des Bundestages ergab kein einheitliches Bild der SachverständigenVon Tim Zülch Grüne und Linke fordern seit langem ein kommunales Ausländerwahlrecht. Experten sind jedoch über die Verfassungsfolgen uneins.

Bürgerinnen und Bürger ohne deutschen Pass sollen zumindest in den Kommunen mitbestimmen können. Das fordern sowohl die SPD, die Grünen und die LINKE im Bundestag. Anläufe, das Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer einzuführen, gab es schon unter der rot-grünen Bundesregierung. Nur wurden diese zum Ende der rot-grünen Regierungszeit nicht mehr umgesetzt und später durch die Kräfteverschiebungen zugunsten der Union im Bundesrat erstickt.

Das kommunale Ausländerwahlrecht würde 4,4 Millionen Menschen betreffen, von denen zwei Drittel schon länger als zehn Jahre in Deutschland leben. Letztes Jahr wagten die Grünen einen erneuten Anlauf und legten einen Gesetzentwurf vor, »um nicht bis zum Sanktnimmerleinstag zu warten«. Auch Die Linke unterstützt das Ansinnen. »Wer von Integration redet, der muss den Menschen auch gleiche Rechte geben, damit sie am gesellschaftlichen Leben auch partizipieren können«, sagt dazu Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der LINKEN.

Für ein Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Ausländer müsste allerdings das Grundgesetz geändert werden, denn in dem es heißt es: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Doch was ist das Volk? Unter anderem zu dieser Frage standen bei einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestages am Montag sieben Juristen den Abgeordneten Frage und Antwort.

Die Meinungen über eine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz gingen durchaus auseinander. Bundesverwaltungsrichter Klaus Rennert sprach sich strikt gegen eine Grundgesetzänderung aus. »Die Staatsgewalt geht vom Volk der deutschen Staatsangehörigen aus. Darauf ruht unsere Verfassungsordnung«, sagte Rennert. Diese Auslegung sah der Jurist Felix Hanschmann vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht mittlerweile widerlegt. Denn EU-Bürger dürften bereits in deutschen Kommunen wählen und gewählt werden. Damit habe de facto »der Staatsvolkbegriff des Grundgesetzes eine Änderung erfahren«, so Hanschmann.

Die bangen Fragen der Abgeordneten, ob das Bundesverfassungsgericht eine Grundgesetzänderung als verfassungsgemäß ansehen werde, konnten auch die Juristen nicht sicher beantworten: Das sei »Kaffeesatzleserei«, lautete ihre zurückhaltende Auskunft hierzu. Befürchtungen hingegen, ein kommunales Ausländerwahlrecht könne die Integration erschweren und dazu führen, dass Migranten zunehmend eigene Parteien gründeten und sich isolierten, sahen die Experten als sehr unwahrscheinlich an. Prof. Dr. Dietrich Tränhardt von der Universität Münster wies darauf hin, dass es sowohl in den Niederlanden, als auch in Schweden keinerlei negative Erfahrungen mit einem kommunalen Wahlrecht gegeben habe. Vielmehr habe sich dort eine »Vermittlungselite« herausgebildet, welche die »Interessen der Migranten besser artikulieren kann«. Außerdem hätten Länder mit kommunalem Wahlrecht sehr hohe Einbürgerungszahlen.

Für die Türkische Gemeinde in Deutschland wäre das Ausländerwahlrecht sogar eine integrationsfördernde Maßnahme. »Man muss den Menschen Teilhabe ermöglichen«, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Organisation Kilmi Kaya Turan dem ND. Sonst bestehe die Gefahr, dass sich die Menschen zurückziehen und sich wieder vermehrt an ihrem Herkunftsland orientieren. Dies sei unabhängig davon, dass die türkische Gemeinde alle Türken in Deutschland aufrufe »die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen«.