Auswirkungen des türkischen Verbots der Partei für eine Demokratische Gesellschaft (DTP) auf die bilateralen Beziehungen und den türkischen EU-Beitritt
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Verbot der Partei für eine Demokratische Gesellschaft (DTP) und dem einhergehenden politischen Betätigungsverbot für 37 Funktionäre und Mandatsträger der DTP durch das türkische Verfassungsgericht im
Hinblick auf die bilateralen Beziehungen zur Türkei und auf die EU-Beitrittsverhandlungen
mit der Türkei insbesondere angesichts der Tatsache, dass die türkische Regierung bereits
im Fortschrittsbericht 2008 zu dringenden Änderungen im türkischen Parteiengesetz aufgefordert wurde, damit es uneingeschränkt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie den Empfehlungen der Venedig-Kommission des Europarates entspricht?
Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer vom 29. Dezember 2009
Eine abschließende Beurteilung der Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts vom 11. Dezember 2009 ist ohne Kenntnis der Urteilsbegründung im Einzelnen nicht möglich. Die Bundesregierung geht aber davon aus, dass das Gericht nach juristischen Kriterien
entschieden hat. Dass nur 37 der 221 beantragten Betätigungsverbote ausgesprochen wurden, spricht für eine differenzierte Bewertung der Einzelfälle. Das Urteil ergeht zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Es ist ein Rückschlag für die mutige und zukunftsweisende Initiative der türkischen Regierung zur „demokratischen Öffnung“. Ihr Erfolg würde die Türkei nachhaltig positiv verändern und zur Stabilität in der gesamten Region beitragen. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdog˘an hat mit seinem Aufruf zur nationalen Einheit und seinem Bekenntnis zur Fortsetzung des Prozesses einen wichtigen Schritt getan. Die Bundesregierung bestärkt die türkische Regierung in ihren Gesprächen
auf allen Ebenen, den mutig eingeschlagenen Weg der „demokratischen Öffnung“ entschlossen weiter zu gehen. Sie appelliert darüber hinaus an alle politisch Verantwortlichen in der Türkei, an der Versöhnung von Kurden und Türken friedlich und konstruktiv mitzuwirken. Die in diesem Prozess notwendigen Verfassungsänderungen
erfordern ein konstruktives Miteinander aller politischen Parteien und einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Die Türkei bleibt – gerade in ihrer Eigenschaft als EU-Beitrittskandidat– aufgerufen, ihre Parteiengesetzgebung an die Venedig-Kriterien des Europarats anzupassen. An Parteiverbote ist in jeder Demokratie ein sehr strenger Maßstab anzulegen. Gleichfalls gilt, dass Terrorismus und Gewalt nie ein Mittel der Politik sein können.