Beteiligung von Regierungsstellen an der Visaerteilung für den Familiennachzug ohne Sprachtest vor dem Hintergrund einer rechtlichen Neubewertung durch die Rechtsprechung

In welcher Weise waren Regierungsstellen (bitte auflisten) daran beteiligt, dass in dem Verfahren BVerwG 1 C 9.10 der Klägerin und ihren Kindern ganz entgegen der zuvor ablehnenden Haltung der Beklagten ein Visum zur Familienzusammenführung ohne vorherigen Sprachtest erteilt wurde, kurz nachdem das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu erkennen gegeben hatte, dass es dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorlegen wolle, ob die Regelung der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug mit EU-Recht vereinbar ist, und wie steht die Bundesregierung zu ihrer bisher vertretenen Auffassung (z. B. Fragen 10 bis 12 auf Bundestagsdrucksache 17/7012 bzw. der Schriftlichen Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 17/6773 zu den Auswirkungen der Kommissions-Stellungnahme vom 4. Mai 2011), die Regelung sei ohne Zweifel mit EU-Recht vereinbar und sie sich nicht mehr wie bisher auf das Bundesverwaltungsgericht berufen kann?

Antwort des Staatssekretärs Dr. Harald Braun vom 21. November 2011

Die Prozessführung in Visafälle betreffenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird durch das Auswärtige Amt wahrgenommen, das sich in Grundsatzverfahren mit dem Bundesministerium des Innern abstimmt. Im Verfahren 1 C 9.10 teilte das Bundesverwaltungsgericht dem Auswärtigen Amt am 20. Oktober 2011 mit, dass dem Ehemann/Vater der Kläger durch die zuständige Ausländerbehörde eine Niederlassungserlaubnis erteilt wurde. Durch diese Änderung fiel der angestrebte Familiennachzug in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/86/EG. Das Auswärtige Amt gelangte nach erneuter Prüfung zu dem Ergebnis, dass unter Anwendung des Runderlasses 508-516.00 vom 30. Juli 2007 (Übergangsverfahren Sprachnachweis beim Ehegattennachzug) vom Sprachnachweis abgesehen und ein Vorschlag zur vergleichsweisen Beilegung des Rechtsstreites gemacht werden konnte. Diesen Vergleichsvorschlag übermittelte das Auswärtige Amt dem Bundesverwaltungsgericht am 21. Oktober 2011. In der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2011 stimmte der Prozessbevollmächtigte dem Vergleichsvorschlag zu und das Verfahren wurde durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet. Hierdurch wurde der Rechtsstreit auf nationaler Ebene beigelegt und eine Vorlage des Verfahrens an den Europäischen Gerichtshof war nicht notwendig.

Die Bundesregierung hält an ihrer Rechtsauffassung fest, dass das Sprachnachweiserfordernis mit dem Grundgesetz und dem europäischem Recht vereinbar ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Rechtsauffassung in seinem Urteil vom 30. März 2010 bestätigt. In dem von Ihnen zitierten Kostenbeschluss vom 28. Oktober 2011 im Verfahren 1 C 9.10 hat das Bundesverwaltungsgericht eine etwaige Vorlagebedürftigkeit an den Europäischen Gerichtshof in dieser Rechtsfrage allein damit begründet, dass die Europäische Kommission mittlerweile eine andere Rechtsauffassung vertritt. Dem Beschluss lässt sich deshalb nicht entnehmen, dass das Gericht von seiner inhaltlichen Auffassung, wonach das deutsche Sprachnachweiserfordernis mit dem Grundgesetz und dem europäischen Recht vereinbar ist, abweichen wollte.