Somalia: Bildet die Bundeswehr Kindersoldaten aus?
Somalia
Bildet die Bundeswehr Kindersoldaten aus?
Von Steven Geyer
Bei ihrem neuesten Einsatz am Horn von Afrika könnte sich die Bundeswehr indirekt an Menschenrechtsverletzungen beteiligen. In einer Antwort auf eine Anfrage der Linken konnte das Außenministerium jetzt nicht ausschließen, dass für die von Deutschland unterstützte Ausbildung somalischer Soldaten auch Minderjährige rekrutiert werden. Zudem besteht die Gefahr, dass die Mehrheit der Ausgebildeten nach ihrer Rückkehr zu somalischen Milizen überläuft, die die Übergangsregierung bekämpfen.
Ziel der seit Mai laufenden EU-Militärmission ist laut Bundesregierung, "die Übergangsregierung in Somalia zu befähigen, schrittweise selbst für Sicherheit und Ordnung sorgen zu können". Somalia hat seit 1991 keine funktionierende Regierung und steckt in einem blutigen Bürgerkrieg. Deutschland beteiligt sich an der EU-Mission laut Kabinettsbeschluss mit bis zu 20 Bundeswehrsoldaten. Sie helfen in Uganda, binnen eines Jahres 2000 somalische Soldaten auszubilden. Diese sollen dann Somalias Übergangsregierung TFG stützen.
Noch keinen heimgeschickt
Kürzlich hatten jedoch die Menschenrechtler von Human Rights Watch, aber auch die Vereinten Nationen den Regierungstruppen schwere Verletzungen gegen das Kriegsvölkerrecht vorgeworfen. So hätten TFG-Truppen wahllos dicht besiedelte Wohnviertel mit Mörsern beschossen. Laut jüngstem Bericht des UN-Generalsekretärs über Kinder in bewaffneten Konflikten rekrutiert die TFG Kindersoldaten und paktiert mit Milizen, die bis zur Hälfte aus Minderjährigen bestehen.
Auf die Frage der Linksfraktion, wonach die EU-Ausbildungsmission ihre Rekruten auswählt, verweist das Außenministerium dennoch auf die "Verantwortung der somalischen Übergangsregierung". Als Auswahlkriterien wird neben "Clanzugehörigkeit, körperlicher Tauglichkeit und Stand der Bildung" zwar auch das Alter genannt. Die EU selbst prüfe die Rekruten jedoch allein auf "gesundheitliche Eignung". Heimgeschickt wurde bisher niemand.
Berichte über Kindersoldaten weist das Außenamt damit zurück, dass Somalias Regierung deren Einsatz ablehne und "auch die Unterzeichnung der Konvention über die Rechte von Kindern in Aussicht gestellt hat". Der UN-Bericht wird nicht kommentiert. Bedenklich sind laut Linksfraktion auch Statistiken, wonach von den 17000 somalischen Soldaten und Polizisten, die Äthiopien zwischen 2006 und 2008 ausgebildet hatte, bereits Ende 2008 nur noch 3000 als Sicherheitskräfte der TFG aktiv waren. Viele der übrigen dürften also zu oppositionellen Milizen übergelaufen sein. Wie das bei den von der Bundeswehr Ausgebildeten verhindert werden soll, "fällt nicht in den Aufgabenbereich der Bundesregierung", so das Schreiben.
Die Linkspartei wirft der Regierung deshalb vor, der EU-Einsatz befriede den Bürgerkrieg nicht, sondern militarisiere ihn weiter. Auch die Grünen rügen, dass die Regierung nicht die Zustimmung des Bundestages eingeholt hat – obwohl die Bundeswehr bewaffnet teilnimmt. "Wäre der Bundestag über die genauen Umstände der Mission informiert worden, hätte es wohl eine breite öffentliche Ablehnung des Einsatzes gegeben", so Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen zur FR: "Das scheute die Regierung."