BMI ignoriert weiterhin die Mehrheitsauffassung von Rechtsexperten
„Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, verschleppt die Bundesregierung eine zügige Umsetzung des so genannten ‚Soysal-Urteils‘ des Europäischen Gerichtshofs", sagt Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE:
„Nicht nur die als Ausländerrechtsexperten anerkannten Polizeihauptkommissare Stoppa und Westphal, sondern auch z.B. der Europarechtsexperte Dr. Dienelt und die Richterin Dr. Mielitz interpretieren das Soysal-Urteil eindeutig so, dass türkische Touristen und andere von nun an visumsfrei nach Deutschland einreisen können! Die Rechtsanwälte Dr. Gutmann und Dr. h.c. Strate haben am 20. März 2009 Strafanzeige gegen Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble gestellt, weil infolge der unzureichenden Umsetzung des EuGH-Urteils die Bundespolizei bei der Grenzkontrolle zur Verfolgung Unschuldiger angestiftet würde. Die Bundesregierung behauptete auf meine Anfrage heute im Parlament, dass völlige Rechtsklarheit bestehe. Dabei steht ihre Rechtsauffassung im eindeutigen Widerspruch zu den bislang vorliegenden Urteilsinterpretationen von anerkannten Rechtsexperten.
Die Bundesregierung versucht EU-Recht nach politischem Gutdünken zu interpretieren. So behauptet das Bundesinnenministerium in einer Pressemitteilung vom 20. März 2009, dass das Urteil nur Auswirkungen auf die ‚aktive Dienstleistungsfreiheit‘ habe. Artikel 14 des Assoziierungsabkommens besagt aber, dass ‚die Vertragparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 45, 46 und 48 bis 54 des EG-Vertrages leiten zu lassen, um untereinander die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs aufzuheben‘. Die so genannte Stillstands-Klausel, die die Visumsbestimmungen von 1973 „konserviert", muss deshalb im Geist der Artikel des EG-Vertrages zur Dienstleistungsfreiheit interpretiert werden. Diesbezüglich ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aber unstrittig und gefestigt: Touristen können sich eindeutig auf die (passive) Dienstleistungsfreiheit berufen, soweit der touristische Zweck im Vordergrund steht und kein Daueraufenthalt angestrebt wird."