Bolivianischer Sozialist Morales bestätigt
Präsident verzeichnet bei Wahlen am Sonntag Stimmzuwächse. Verstärkte Staatsreformen angekündigt. Schlagabtausch deutscher Parteivertreter.
Boliviens Präsident Evo Morales ist bei den Wahlen am Sonntag mit einer deutlichen Mehrheit im Amt bestätigt worden. Nach den noch inoffiziellen Ergebnissen kam der Kandidat der Bewegung zum Sozialismus ( MAS auf rund 63 Prozent der abgegebenen Stimmen. Sein Herausforderer Manfred Reyes Villa von der rechtsgerichteten Gruppierung PPB kam demnach auf rund 23 Prozent. Morales wird damit als erster Staatschef für weitere fünf Jahre regieren. Morales ist zudem der erste Präsident Boliviens, der wiedergewählt werden konnte. Erstmals hatten auch rund 170.000 Bolivianer im Ausland die Chance, sich an der Wahl zu beteiligen. In den vier ersten Auswanderungsländern – Spanien, Argentinien, USA und Brasilien – konnten sie abstimmen.
Das Ergebnis ist eine deutliche Bestätigung für den 50-jährigen Morales. Auch wenn die oberste Wahlbehörde die Auszählung wegen technischer Probleme wiederholen musste und das Endergebnis erst heute bekannt gegeben werden kann, ist klar: Der linke Staatschef konnte seine Unterstützung deutlich erhöhen. Im Jahr 2005 war er mit 53,4 Prozent gewählt worden ( Neoliberalismus abgewählt ). Ganz überraschend kam der Stimmzuwachs jedoch nicht: Im August vergangenen Jahres war er bei einem Referendum über seine Amt von 67 Prozent der Bevölkerung bestätigt worden ( Krise trotz Referendum in Bolivien nicht gelöst). Im Januar dieses Jahres dann wurde die neue Verfassung von rund 60 Prozent angenommen ( Bolivien neu gegründet).
Auf nationaler Ebene konnte Morales seine Position also deutlich stärken. Von den 130 Sitzen des Abgeordnetenhauses hält seine Regierungspartei MAS in den kommenden fünf Jahren 82 Mandate. Vor allem aber werden Morales‘ Anhänger 25 der 36 Senatoren stellen. Die oppositionelle Mehrheit im Senat war bislang eines der größten Probleme für die Linksregierung, die sich eine tief greifende Staatsreform vorgenommen hat.
Industrialisierung und Infrastruktur sollen gefördert werden
"Wir haben eine enorme Verantwortung gegenüber Bolivien, aber auch gegenüber dem Leben und der Menschheit", so Morales, der seinen Sieg den "antiimperialistischen Präsidenten" des Kontinents widmete. Es gehe es nun darum, die "demokratische und kulturelle Revolution" zu vertiefen", sagte Morales vor tausenden Anhängern auf dem Murillo-Platz von La Paz. Kern des Reformprozesses ist die neue Verfassung mit 411 Artikeln und zehn "Übergangsregelungen". Mit der Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses hat die sozialistische Regierung nun die Möglichkeit, Gesetze einfacher zu verabschieden.
Morales wird zu Beginn seiner zweiten Amtszeit das in der neuen Verfassung definierte "Plurinationale Parlament" dominieren. Seine Vorhaben sind Legion: Der indigene Staatschef will die Industrialisierung des Landes massiv ausbauen. Die Stahlproduktion soll ebenso angekurbelt werden wie die Förderung von Erdgas und des Alkalimetalls Lithium, dessen weltweit größtes Vorkommen sich in Bolivien befinden. Auch das Straßennetz will die Regierung von Morales ausbauen. Das ehrgeizigste Vorhaben ist der Bau einer Straße vom größten Hafen Lateinamerikas im brasilianischen Santos an der Atlantikküste bis hin zum chilenischen Hafen Iquique am Pazifik. Eine der potentiell wichtigsten Wirtschaftsstraßen würde dann quer durch Bolivien führen. Vor allem aber plant Morales die Wirtschaftsstrukturen in den ländlichen Gebieten zu fördern. Mehr Arbeit, stärkere Sozialsysteme und eine Unterstützung agrarwirtschaftlicher Produktion versprach er in seinem Wahlkampf mit dem Slogan: "Ein Bolivien für alle, um gut zu leben."
Auseinandersetzung nach Erklärung der CDU/CSU
Ein Bolivien für alle – dieses Konzept trifft nicht überall auf Zustimmung. In den Tieflandprovinzen im Osten Boliviens hält sich nach wie vor die Opposition. Während im westlichen Hochland die indigene Bevölkerung lebt, haben hier die weißen Nachfahren europäischer Einwanderer das Sagen. Mit rassistischen Parolen und zum Teil offener Gewalt gingen sie in den vergangenen Jahren gegen die Regierung und ihre Anhänger vor.
Am Sonntag wurde aber auch ihre Position geschwächt: Zwar konnte der Rechtskandidat Reyes Villa die Kontrolle über die Departements Beni, Pando und Santa Cruz behaupten. Doch Morales‘ Bewegung zum Sozialismus konnte auch hier Stimmzuwächse verzeichnen. Die Region Tarija fiel gar komplett an die Regierung. Die ressourcenreichen Provinzen im östlichen Tiefland Bolivien bleiben damit zunächst das Refugium der wirtschaftlichen und politischen Opposition gegen Morales‘ Reformprojekt. Zwischen ihnen und der Zentralregierung werden sich die Konflikte abspielen. Dies gilt umso mehr, da bei Referenden am Sonntag für mehr Autonomie der Provinzen gestimmt wurde. Im Frühjahr werden zudem die Gouverneure neu gewählt. Die Neufassung des veralterten Wahlgesetzes und die Kontrolle der Wählerverzeichnisse gehören deswegen zu einer der vorrangigen Aufgaben, die sich die Regierung gestellt hat. Am morgigen Dienstag bereits will sich Morales mit seinem Kabinett treffen.
Der massive Stimmzuwachs für die sozialistische Regierung führte auch in Berlin zu einer Debatte. Der entwicklungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Holger Haibach, und der CDU-Abgeordnete Bernhard Kaster kritisierten den Wahlsieger Morales deutlich. Von den CDU-Abgeordneten "ergeht der dringliche Appell an die bolivianische Regierung, die Zukunftschancen des Landes effektiv zu nutzen". Diese Chancen sollten "nicht durch die Kooperation mit sozialistischen, undemokratischen Regimes in Südamerika gefährdet werden", schreiben die Abgeordneten weiter: "Insbesondere der Einfluss Venezuelas und Kubas" sei für die Entwicklung Boliviens schädlich.
Auf heftigen Widerspruch traf die Erklärung der Regierungsabgeordneten bei der linken Opposition. Die "überwältigende Bestätigung" für den Präsidenten und seine Partei MAS zeige, "dass hinter der Politik von Morales statt Millionären Millionen von Menschen stehen", schrieb die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Sevim Dagdelen. "Bolivien braucht von den deutschen Unionsparteien sicher keine Nachhilfe in Sachen Rechtsstaat und Demokratie", so Dagdelen in einer Entgegnung auf die Erklärung Haibachs und Kasters, "zumal gerade die CDU/CSU wegen ihrer Politik mehrfach vom Verfassungsgericht gerügt wurde". Die Unionsparteien sollten "endlich im 21. Jahrhundert ankommen". Kolonialismus und imperiale Haltung des weißen Mannes gehörten dem vergangenen Jahrhundert an.