Boykott hin oder her – Bundesregierung muss Rassismus im eigenen Land begegnen

„Die mögliche Teilnahme des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und das geplante Schlussdokument der Konferenz sind für die Bundesregierung nur ein Vorwand, um selbst nicht ihren Unwillen und das eigene Versagen im Kampf gegen Rassismus vor internationaler Kulisse eingestehen zu müssen", so Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, anlässlich der Anti-Rassismus-Konferenz der UNO in Genf. Dagdelen weiter:

„Ein Problem kann erst bearbeitet werden, wenn es benannt wird. Genau davor drückt sich die Bundesregierung. Ich kann mich nicht erinnern, dass ein Minister, ein Ministerpräsident oder die Bundeskanzlerin in den letzten Jahren gesagt hätte: Ja, wir haben ein Problem mit Rassismus! Nach wie vor reduziert die Bundesregierung Rassismus auf ein Problem von Rechtsextremisten. Solange rassistische Vorfälle als Einzelfälle und Ausnahme von der Regel begriffen werden, wird sich aber an der Wurzel des Problems nichts ändern. Der UN-Menschenrechtsrat empfahl dem deutschen Gesetzgeber, endlich eine klare und umfassende Definition von Rassismus und rassistischer Diskriminierung gesetzlich zu verankern. Zudem müsse die Bundesregierung Maßnahmen z.B. gegen rassistische Polizeiübergriffe und zur Verbesserung und Fortschreibung des Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus ergreifen.

Auch diskriminierende und ausgrenzende Gesetze und Vorschriften müssen endlich zur Diskussion gestellt werden. Die in der Abschlusserklärung der Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban 2001 geforderte Beseitigung aller ‚diskriminierenden Politiken und Praktiken gegenüber Migranten‘ ignoriert die Bundesregierung bis heute. Obwohl auch die Bundesrepublik die Abschlusserklärung unterzeichnet hat, werden Flüchtlinge mit der so genannten Residenzpflicht – einem Relikt aus deutscher Kolonialzeit – diskriminiert.

Die Bundesregierung ist aufgefordert, seine in Durban eingegangene Verpflichtung zu erfüllen und sich der Verantwortung zu stellen. Ein wichtiger Schritt ist es, die koloniale Vergangenheitsbewältigung als Teil effektiver Maßnahmen zum Abbau von Rassismus zu sehen. Nach wie vor weigert sich die Bundesregierung einzugestehen, dass der Rassismus im Deutschland von heute auch im Rassismus der Kolonialzeit verwurzelt ist.

Die Bundesregierung sollte die Antirassismuskonferenz in Genf nutzen, um zu strukturellem Rassismus Stellung zu nehmen und eine dementsprechende Erklärung abgeben, um den Institutionen die Bekämpfung des Problems zu ermöglichen."