Brüssel mahnt Deutschland wegen Sprachtests im Ausland

„Die EU-Kommission hat nun offiziell ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet wegen der unzureichenden Umsetzung des Dogan-Urteils des Europäischen Gerichts-hofs (EuGH). Der EuGH hatte im Sommer letzten Jahres die Sprachtests im Ausland beim Ehegattennachzug als unzulässig eingestuft, weil die Einschränkung gegen das Verschlechterungs-verbot des EU-Türkei-Assoziationsabkommens verstößt. Die Bundesregierung weigert sich bis heute mit waghalsiger Begründung, den Urteilsspruch des EuGH umzusetzen – das ist inakzeptabel", erklärt Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, zur Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zu „Visaerteilungen zum Ehegattennachzug im Jahr 2014 und rechtliche Bedenken gegen Sprachtests im Ausland" (BT-Drs. 18/4598). Dagdelen weiter:

„Ich möchte die EU-Kommission darin bestärken, sich nicht von irreführenden Aussagen der Bundesregierung täuschen zu lassen und das Vertragsverletzungsverfahren schnell und konsequent weiter zu betreiben. Nach Darstellung der Bundesregierung würde angeblich jetzt schon allen denkbaren Härtefallkonstellationen Rechnung getragen – die Praxis belegt das glatte Gegenteil. Etwa jeder dritte Deutsch-Test im Ausland wurde im Jahr 2014 nicht bestanden, das betraf über 12.000 Menschen. Immer wieder wenden sich Betroffene an mich, die massiv unter den Folgen dieser menschenfeindlichen Regelung leiden. Doch das Außenministerium und die Botschaften erweisen sich nach meiner Erfahrung in diesen Fällen als unfähig oder unwillig, eine verfassungs- und EU-rechtskonforme Lösung im Sinne der Menschen herbeizuführen.

Statt letztlich unwirksame Härtefallregelungen einzuführen, muss die Regelung der Sprach-anforderungen im Ausland zurückgenommen werden. Bei Nachzug zu türkischen Staats-angehörigen folgt dies zwingend aus dem Dogan-Urteil des EuGH. Dass die Bundesregierung dieses höchstrichterliche Urteil ignoriert, setzt dem ideologisch motivierten Treiben die Krone auf. Das Gerede von Willkommenskultur, offener Einwanderungsgesellschaft und vom angeblichen Schutz der Familien können sich CDU, CSU und SPD sparen, wenn sie das Recht auf Familien-zusammenleben beim Ehegattennachzug derart mit Füßen treten.

Nach dem Dogan-Urteil des EuGH hatte das Auswärtige Amt den Botschaften auferlegt, auch beim Nachzug zu Drittstaatsangehörigen in Zweifelsfällen Härtefallprüfungen vorzunehmen, weil pauschale Ablehnungen mit EU-Recht nicht zu vereinbaren sind. Es ist bezeichnend, dass es nach Angaben der Bundesregierung von August 2014 bis heute nur eine „geringe zweistellige Zahl" solcher Fälle gegeben haben soll. In anderen Worten: Nichts hat sich infolge des Dogan-Urteils an der Schikane von Eheleuten zum Besseren geändert."