Bundesrat ignoriert Europarecht
„Die Aufforderung des Bundesrates an die Bundesregierung, die vorgesehene Anhebung der Mindestbestandszeit einer Ehe zur Begründung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts auf drei Jahre im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch einmal zu überprüfen, ist angesichts der klaren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes unzureichend. Die von der Koalition geplante Verlängerung der Mindestbestandszeit einer Ehe für die Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts von nachgezogenen Ehegatten ist europarechtswidrig und hätte abgelehnt werden müssen", erklärt Sevim Dagdelen anlässlich der heutigen Abstimmung im Bundesrat über eine entsprechende Gesetzesinitiative der Bundesregierung. Die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE weiter:
„Die Bundesregierung muss ihr Gesetzesvorhaben stoppen. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 9. Dezember 2010 zur Auslegung des Assoziationsrechts zwischen der EU und der Türkei (C-300/1/09) verstößt die Erhöhung der Ehebestandszeit von zwei auf drei Jahre gegen Europarecht. Das Assoziationsrecht sieht seit Ende 1980 ein so genanntes Verschlechterungsverbot für türkische Arbeitnehmer vor, demnach die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nicht erschwert werden darf. Seitdem gewährte Erleichterungen dürfen auch nicht mehr zurückgenommen werden, hat der Gerichtshof nun klar entschieden. Das träfe aber auf die von der Bundesregierung beabsichtigte Verlängerung der Mindestehebestandszeit zu. Diese Regelung verstößt damit gegen Europarecht.
Es ist ein Skandal, dass nun Frauen aus Angst vor einer Abschiebung ein Jahr länger in Gewaltverhältnissen oder auch Zwangsehen ausharren sollen. Die Bundesregierung muss ihr Gesetzesvorhaben stoppen, wenn schon nicht aus Interesse an den betroffenen Frauen, dann eben aus europarechtlichen Gründen."