Bundesregierung belegt erstmals offiziell ihre sozial selektive Visumspraxis

„Es sind insbesondere Menschen ohne regelmäßige Einkünfte und Ledige aus afrikanischen Ländern und aus der Türkei, denen gezielt ein Besuchsvisum verweigert wird. Ihnen wird in der Praxis pauschal eine mangelnde Rückkehrbereitschaft unterstellt. Länder mit hoher Ablehnungsquote wie Guinea, Kongo, Senegal, Ghana, Kamerun, Nigeria oder die Türkei sollten diese willkürliche Praxis gegenüber ihren Staatsangehörigen ernsthaft hinterfragen", erklärt Sevim Dagdelen anlässlich der Antwort der Bundesregierung auf ihre entsprechende Kleine Anfrage (BT-Drs. 17/2550). Die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE weiter:

„Visumablehnungen kommen insbesondere in Bezug auf afrikanische Staaten sehr viel häufiger vor. Die Ablehnungsquoten betrugen 2009 beispielhaft: Guinea 54 Prozent, Kongo 44 Prozent, Senegal 41 Prozent, Ghana 37 Prozent, Kamerun 36 Prozent, Nigeria 34 Prozent. Bemerkenswert ist auch die doppelt so hohe Ablehnungsquote in der Türkei (20 Prozent); das entspricht 25.210 Visumablehnungen im Jahr 2009. Hier ist die hohe Ablehnungsquote nicht zuletzt deshalb zusätzlich fragwürdig, weil in der juristischen Fachliteratur mehrheitlich davon ausgegangen wird, dass infolge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs türkische Staatsangehörige jedenfalls zu touristischen Zwecken wegen der EU-Assoziierungsabkommen gar kein Visum benötigen und visumfrei einreisen können müssten.

In einer globalisierten Welt ist die Bundesregierung aber noch immer zu keinen Erleichterungen im Visumsverfahren bereit. Es sollte z.B. in Fällen, in denen Verpflichtungserklärungen und persönliche Einladungen vorliegen, von der ‚Rückkehrbereitschaft‘ der Eingeladenen grundsätzlich ausgegangen werden. Für die Versagung eines Visums durch eine Auslandsvertretung sollte eine einzelfallbezogene und nachvollziehbare Begründung erfolgen und nicht bloß das Ankreuzen eines entsprechenden Kästchens."