Bundesregierung erwägt Boykott

Deutschland wird möglicherweise nicht an der Anti-Rassismus-Konferenz in Genf teilnehmen. Auch andere EU-Staaten beabsichtigen, die UN-Veranstaltung zu boykottieren. Grund ist die Furcht vor anti-israelischen Parolen – und die Rede eines unberechenbaren Staatsoberhaupts.

Die umstrittene Anti-Rassismus-Konferenz der Vereinten Nationen (UN) in Genf steht kurz vor Beginn immer noch auf der Kippe. Deutschland hält sich – wie zahlreiche andere Staaten – die endgültige Entscheidung über Teilnahme oder Boykott weiterhin offen. Das Treffen soll am Montag beginnen. Hinter den Kulissen wird derzeit intensiv über die Formulierungen für die offizielle Konferenz-Erklärung verhandelt. Der Westen fürchtet, dass es von Staaten wie dem Iran als Bühne für anti-israelische Parolen genutzt werden könnte.

Vize-Regierungssprecher Thomas Steg bestätigte in Berlin, dass innerhalb der Bundesregierung weiter über einen Boykott nachgedacht wird. Im Entwurf für das Schlussdokument dürfe es keine "einseitige Verurteilung Israels" geben. Dies wäre für Deutschland "nicht tolerabel". "Wäre eine solche Passage im Abschlussdokument enthalten, wäre eine Teilnahme ausgeschlossen." Die Anti-Rassismus-Konferenz dürfe nicht zu einer "Anklageveranstaltung gegen den Staat Israel" umfunktioniert werden, sagte Steg.
Kritik der Linken
Über die Veranstaltung – die Folgekonferenz eines Treffens 2001 in der südafrikanischen Hafenstadt Durban – wird bereits seit mehreren Wochen gestritten. Falls es tatsächlich zu einem Boykott kommt, wäre Deutschland erstmals seit Jahrzehnten bei einer wichtigen UN-Konferenz nicht dabei. Prominentester Gast ist bislang der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der für Israel-feindliche Äußerungen bekannt ist. Er will in Genf auch eine Rede halten.

Kritik an der Bundesregierung kommt aus dem Lager der Linkspartei. "Die Teilnahme des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und das geplante Schlussdokument der Konferenz sind für die Bundesregierung nur ein Vorwand, um selbst nicht das eigene Versagen im Kampf gegen Rassismus vor internationaler Kulisse eingestehen zu müssen", sagte Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linken.

Steinmeiner in Verhandlungen
Die Europäische Union (EU), die bereits im vergangenen Monat mit einem Boykott gedroht hatte, konnte sich bislang noch nicht zu einer einheitlichen Position durchringen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) beriet am Freitag mit mehreren europäischen Kollegen über eine gemeinsame Linie.

Der stellvertretende Sprecher des Auswärtigen Amtes, Andreas Peschke, ergänzte: "Wenn wir nicht sicher sein können, dass unsere roten Linien eingehalten werden, dann ist eine Teilnahme nicht möglich." Noch werde aber "gerungen".

Botschafter handeln Kompromisse aus
Kurz vor Beginn der UN-Rassismuskonferenz haben Diplomaten sich jedoch auf einen Kompromissentwurf für eine Abschlusserklärung verständigt. Das 17-seitige Papier habe nach schwierigen Verhandlungen die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten erhalten, sagte UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay am Freitag in Genf.

Pillay sagte, alle strittigen Punkte wie etwa Bezugnahmen auf den Nahostkonflikt und Passagen über die Diffamierung von Religionen seien gestrichen. Sie erwarte deshalb, dass die Konferenz das Dokument verabschieden werde. Sie hoffe auch, dass das Papier und die breite Zustimmung dazu die USA zur Teilnahme bewegten.

Die endgültige Entscheidung, welche Staaten teilnehmen werden, wird möglicherweise aber erst am Wochenende fallen, in den letzten Stunden vor Konferenzbeginn. Möglich ist auch, dass sich die 27 EU-Staaten unterschiedlich entscheiden.