Bundesregierung gefährdet mit „Deutschland-Doktrin" das deutsch-polnische Verhältnis

„Die Bundesregierung übt sich in Bezug auf die Anerkennung der Westgrenze der Republik Polen erneut in verrenkter Vertragsakrobatik, wodurch geleistete Bemühungen für eine deutsch-polnische Verständigung in Frage gestellt werden. Es ist ein Skandal, dass die polnische West-Grenze seit den polnischen Teilungen bis heute von keiner bundesdeutschen Regierung anerkannt wurde. Die Bundesregierung beharrt nach wie vor auf dem Wahnwitz der sog. ‚Deutschland-Doktrin‘, nach welcher keine Bundesregierung dem Handeln des Deutschen Reiches mit dem die BRD räumlich teilidentisch sein soll, für den Fall dass das Deutsche Reich eines Tages wieder zum Handeln erwacht, vorgreifen darf. Für ein solches restauratives und reaktionäres Denken darf es in einem demokratischen Europa keinen Platz geben. Es ist befremdlich, dass die Bundesregierung an der ‚Deutschland-Doktrin‘ als Grundlage ihrer Beziehungen zum Nachbarland Polen festhält und damit faktisch revisionistischen und revanchistischen Forderungen des Eigentümerbundes Ost e.V. Vorschub leistet", erklärt Sevim Dagdelen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE. anlässlich der Antwort der Bundesregierung auf ihre Kleine Anfrage „Belastung der deutsch-polnischen Beziehungen durch Aktivitäten des Vereins Eigentümerbund Ost e. V. in Polen" (BT-Drs. 17/12307). Dagdelen weiter:

„Die jüngste Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage belegt, dass Deutschland einer bizarren Interpretation, der von den Alliierten in Art. 2 des Zwei-plus-Vier-Vertrages geforderten völkerrechtlich verbindlichen Bestätigung der Ergebnisse des zweiten Weltkriegs vom 8. Mai 1945 folgt. Die polnische Westgrenze ist mithin nicht anerkannt, sondern lediglich bestätigt und soll nicht mit Gewalt verletzt werden. Insofern hat der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze von 1990 den gleichen Charakter wie der Warschauer-Vertrag 1970. Beides sind Gewaltverzichtsverträge jedoch keine Grenzanerkennungsverträge.

Die Bundesregierung sichert zwar zu, dass das Deutsche Reich seine ‚gebietsmäßige Vollständigkeit‘ erreicht haben soll. Welchen Wert kann eine solche Zusicherung jedoch haben, wenn sie lediglich in einer ‚Denkschrift‘, der kein rechtsverbindlicher Charakter zukommt auftaucht. Es ist ungeheuerlich, dass diese wichtige Feststellung als Begründung zu einem Antrag der damaligen Regierungskoalition nicht einmal Teil des Beschlusses über das Einigungsvertragsgesetz selbst war. Die Anerkennung der Westgrenze Polens muss bilateral und völkerrechtlich verbindlich in einem Grenzanerkennungsvertrag zum Ausdruck kommen.

Mittels Klagen in Polen und Tschechien will derweil der revanchistische ‚Eigentümerbund Ost e.V.‘ die Ansprüche von sog. Vertriebenen auf ehemaliges Eigentum durchsetzen. Die Haltung der Bundesregierung gegenüber der volksverhetzenden Tätigkeit deutscher Revisionisten und dieser Vereinigung in Polen ist beschämend. Das Problem der Hetzte gegen die polnischen Nachbarn schafft man nicht aus der Welt, indem diese ignoriert und als bedeutungslos abgetan werden. Die Bundesregierung zeigt erneut eine mangelhafte Sensibilität an gutnachbarschaftlichen Beziehungen. Die LINKE fordert, dass die Bundesregierung endlich die polnische Westgrenze als unantastbar anerkennt und revanchistischen Bestrebungen entschieden und konsequent entgegentritt."

Weiterführende Informationen:
Appell der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland e.V. an den Deutschen Bundestag zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Deutschland und Polen