Bundesregierung missachtet bei Visumverfahren EU-Recht

„Die Bundesregierung verstößt mit der systematischen Teil-Privatisierung des Visumverfahrens und der gleichzeitigen Missachtung vorgegebener Fristen zur Bearbeitung von Visumanträgen gegen EU-Recht. Statt die Auslandsvertretungen ausreichend personell auszustatten und die Visaerteilung zu vereinfachen, bürdet die Bundesregierung den Reisenden die Mehrkosten der Privatisierung auf. Das ist inakzeptabel", kritisiert Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. BT-Drs. 17/12755) zu Visaerteilungen im Jahr 2012. Dagdelen weiter:

„Seit Inkrafttreten des EU-Visakodex im Jahr 2009 stieg die Arbeitsbelastung der in der Visaprüfung eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den drei wichtigsten Herkunftsländern China, Russland und Türkei um 27,5 Prozent, 38 Prozent und 42 Prozent. Während die Zahl der Visaanträge in diesen Ländern stieg, wurde die Zahl der Angestellten reduziert oder unzureichend angepasst. Das ist ein klarer Verstoß gegen den Visakodex, der den Mitgliedstaaten verbindlich vorschreibt, ‚geeignete Kräfte in ausreichender Zahl‘ einzusetzen, um eine ‚angemessene und harmonisierte Dienstleistungsqualität für die Öffentlichkeit‘ sicherzustellen (Art. 38 Abs. 1). Wegen der langen Wartezeiten für Reisende prüft die EU-Kommission bereits, ob sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik einleitet.

Der Einsatz externer Dienstleister, die in neun der 15 wichtigsten Herkunftsländer zum Einsatz kommen, ist dem Auswärtigen Amt offenkundig ein Allheilmittel. Diese privaten Dienstleister nehmen Anträge gegen eine Gebühr entgegen und leiten sie an die Visastellen weiter. Wegen der zusätzlichen Kosten soll dies laut Visakodex jedoch nur in Ausnahmefällen und nur als ‚letztes Mittel‘ erfolgen (Art. 40 Abs. 3). Zudem muss jeder Mitgliedstaat auch beim Einsatz externer Dienstleister ‚die Möglichkeit für sämtliche Antragsteller aufrecht‘ erhalten, ‚die Anträge unmittelbar bei seinen Konsulaten einzureichen‘ (Art. 17 Abs. 5). Die Wartezeit darf auch in diesen Fällen zwei Wochen nicht überschreiten (Art. 9 Abs. 2). Bei einigen Visastellen räumt die Bundesregierung aber die Überschreitung der Wartezeit ein. Bei anderen verschweigt sie jedoch den Verstoß gegen den Visakodex. Die online-Terminvergabe der Visastellen in China verrät: Zur Visabeantragung muss man derzeit in Peking sieben Wochen warten, in Kanton ist es ähnlich, in Shanghai werden nur Termine für die nächsten vier Wochen angeboten – doch davon ist keiner erhältlich. Der dann immer wieder erfolgende Verweis auf kostenpflichtige Dienstleister, wo im Regelfall kaum Wartezeiten entstehen, ist nach EU-Recht jedoch unzulässig.

Die Linke fordert die Bundesregierung auf endlich ausreichend Personal zur Verfügung zu stellen, die Verfahren zu vereinfachen und Möglichkeiten zur Erteilung von Mehrjahresvisa voll auszuschöpfen. Oder aber die Bundesregierung hebt die Visapflicht ganz auf.