Bundesregierung setzt Urteil zum Ehegattennachzug unzureichend um

„Die Bundesregierung legt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug bewusst eng aus und übermittelt an die zuständigen Auslandsvertretungen unzureichende Vorgaben. Das Parlament wird hierüber getäuscht und desinformiert. DIE LINKE fordert den Bundesaußenminister auf, die mangelhafte Weisung umfassend zu überarbeiten und parlamentarische Kontrollrechte nicht weiter zu missachten", kritisiert Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, die Antwort der Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen (z.B. BT-Drs. 17/12780) zur Umsetzung des Urteils des BVerwG vom 4. September 2013 (10 C 12.12). Dagdelen weiter:

„Im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) heißt es, dass von Sprachnachweisen im Ausland beim Ehegattennachzug zu Deutschen abgesehen werden muss, wenn diese nicht in zumutbarer Weise innerhalb eines Jahres erbracht werden können. Diese Jahresfrist müsse ‚nicht abgewartet‘ werden, ergänzte das Gericht unmissverständlich, wenn ‚Bemühungen zum Spracherwerb von vornherein nicht zumutbar sind‘. Diese wichtige Passage aber wird in der Weisung des Auswärtigen Amtes vom 6. Dezember 2012 zur Umsetzung des Urteils offenkundig gezielt unterschlagen. Demnach muss der ausländische Ehegatte vielmehr nachweisen, dass er ‚sich mindestens ein Jahr lang in zumutbarer Weise um den Erwerb der geforderten einfachen deutschen Sprachkenntnisse bemüht hat‘. Im Ergebnis wird auch solchen Ehegatten eine einjährige Wartezeit auferlegt, die eigentlich sofort ein Visum zur Familienzusammenführung erhalten müssten. Die Weisung ist auch deshalb völlig mangelhaft, weil sie keinerlei konkretisierende Vorgaben zur Beurteilung der Zumutbarkeit des Spracherwerbs im Ausland enthält. An der restriktiven Praxis wird sich damit kaum etwas ändern, wie mir bekannt gewordene Einzelfälle belegen.

Zugleich wird das Parlament getäuscht: Mehrfach habe ich für die parlamentarische Arbeit versucht, die Weisung von der Bundesregierung zu erhalten. Vergeblich. Da mir die Weisung aber auf anderem Wege bekannt geworden ist, stelle ich fest, dass die Bundesregierung zum angeblichen Inhalt der Weisung in Beantwortung parlamentarischer Anfragen falsche Angaben gemacht hat: Angeblich ‚wurden die Auslandsvertretungen angewiesen‘, dass die ‚Jahresfrist nicht abgewartet‘ werden muss, wenn der Spracherwerb von vornherein nicht zumutbar‘ ist (BT-Drs. 17/12780, Antwort zu Frage 2). Das ist eine glatte Lüge, denn wie gesagt steht nichts davon in der Weisung! Es ist unerhört, wie Abgeordnete und Parlament von der Regierung hinters Licht geführt werden.

Leidtragende sind vor allem die Betroffenen. Ihr Zusammenleben wird in verfassungswidriger Weise weiter behindert. Ohnehin ist die Beschränkung des Ehegattennachzugs durch Sprachanforderungen im Ausland verfassungsrechtlich fraglich und mit vorrangigem EU-Recht nicht vereinbar. Die Bundesregierung sollte die Regelung im Interesse der Betroffenen deshalb besser sofort abschaffen, bevor der Europäische Gerichtshof sie dazu zwingt.