Bundesregierung trennt gezielt sozial benachteiligte Eheleute
„Es geht der Bundesregierung mit der Neuregelung der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug weder um ‚Integration‘, noch um die Bekämpfung von Zwangsverheiratungen. Es geht um eine soziale Selektion. Denn hochqualifizierte und ‚erwünschte‘ Migranten müssen keinen Sprachnachweis erbringen, für bildungsfernere oder einkommensschwache Menschen hingegen sollen die geforderten Sprachanforderungen eine möglichst schwer zu überwindende Hürde darstellen. Darin ist sich die Bundesregierung offenkundig mit dem Rechtspopulisten Sarrazin einig, der unter anderem fordert, die Anforderungen des Sprachtestes bei Ehegattennachzug weiter zu erhöhen, um die Einwanderung unqualifizierter Migranten zu begrenzen", kommentiert die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Sevim Dagdelen, die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zu den Auswirkungen der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug im Jahr 2010(Bundestagsdrucksache 17/5732).
„Dass die Bundesregierung vorgibt, sie wolle mit der Neuregelung die ‚Integration‘ der Betroffenen fördern, ist ein Schlag in das Gesicht der mangels Deutschkenntnisse zwangsweise voneinander getrennt lebenden Eheleute. Grundsätzlich wird von der Bundesregierung ein Spracherwerb über zwei bis drei Jahre hinweg für zumutbar gehalten – bei der Gesetzeseinführung war noch beschönigend von 2 bis 3 Monaten Spracherwerb und nur 200 bis 300 zu lernenden Wörtern die Rede. Der Ehegattennachzug aus der Türkei ging um 36 Prozent zurück. Insgesamt ist ein Rückgang um 20 Prozent bezogen auf alle Länder zu verzeichnen. Es gibt Länder, in denen gerade einmal die Hälfte der Prüfungsteilnehmer den Sprachtest im Ausland besteht (Ghana, Äthiopien, Sri Lanka, Irak, Kosovo, Mazedonien) – in der Folge dauert die Zwangstrennung der Eheleute in diesen Fällen dann weiter an.
Geradezu zynisch sind die neuen Ausnahmeregelungen im Visumhandbuch: Demnach sind „keine besonders schutzwürdigen Umstände", die eine kürzere Dauer des Spracherwerbs als zwei bis drei Jahre rechtfertigen würden: ‚die bloße Trennung der Familie‘, Sprachkurse, die nur im Nachbarstaat angeboten werden, ein ‚mehrfaches Nichtbestehen der Sprachprüfung‘ und ‚Analphabetismus‘. Und selbst wenn besonders schutzbedürftige Umstände vorliegen, droht noch ein Hinweis darauf, dass die eheliche Lebensgemeinschaft ja auch im Ausland hergestellt werden kann. Betroffen sind insbesondere sozialbenachteiligte Menschen. Diese Vorgaben sind Regelungen zur Schaffung von Härtefällen. Sie gehören – wie die Sprachregelung insgesamt – abgeschafft. Die Betroffenen sollen hier in Deutschland, zusammen mit ihren Partner Deutsch lernen können."