Bundeswehr aus Bosnien-Herzegowina abziehen

Beratung des Antrags der Bundesregierung "Zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation ‚ALTHEA‘ zur weiteren Stabilisierung des Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina im Rahmen der Implementierung der Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensvereinbarung sowie an dem NATO-Hauptquartier Sarajevo und seinen Aufgaben, auf Grundlage der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 1575 (2004) und folgender Resolutionen"

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung lässt in ihrem Antrag an den Absichten, die hinter dem Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Bosnien-Herzegowina stehen, keinerlei Zweifel aufkommen. In dem Antrag heißt es ich zitiere : „Das Land muss … den Weg der Integration in euro-atlantische Strukturen aus eigener Kraft" gehen. Die EU-Mission Althea soll also die NATO-Anbindung Bosnien-Herzegowinas militärisch absichern. Was ist das eigentlich, wenn nicht imperiale Politik?

(Lachen des Abg. Dr. Rainer Stinner (FDP))

Seit der Ära Guttenberg bekennt sich die Bundesregierung ja offen zu Einsätzen der Bundeswehr für Rohstoffe, für freie Märkte wir haben das eben in der Debatte zu Atalanta gehört und für freie Handelsrouten. Das sind Zitate von Herrn Guttenberg selbst. Lieber Herr Stinner, nehmen Sie zur Kenntnis, dass Ihr Minister diese Worte gesagt hat, und zwar nicht erst kürzlich im November; vielmehr hat er sich bereits im Juni darüber gewundert, dass Bundespräsident Köhler, der zurückgetreten ist, nicht genügend Unterstützung von Ihnen bekommen hat. Das sind die Worte Ihres Ministers. Ich zitiere diese Worte nur.

(Beifall bei der LINKEN Michael Brand (CDU/CSU): Erst angreifen und jetzt uns beschimpfen! Ist ja unfassbar!)

Deshalb sage ich: Diese neue Ehrlichkeit hat nur den Vorteil, dass Sie damit ehrlicher sind, als es die Grünen und die SPD sind.

(Beifall bei der LINKEN Abg. Michael Brand (CDU/CSU): Es ist unanständig, wie Sie sich gegenüber dem Bundespräsidenten verhalten haben!)

Mit diesem Einsatz wird auch die neoliberale EU-Erweiterungsstrategie begleitet. Hinsichtlich Bosnien-Herzegowina wird in der Strategie kritisiert – ich zitiere -: "Die Privatisierung, die Umstrukturierung öffentlicher Unternehmen und die Liberalisierung des Marktes der netzgebundenen Industrien sind nicht weiter vorangeschritten."

Weiter heißt es in dieser Strategie, das Sozialsystem sei zu gut und müsse deshalb dringend reformiert werden. Finden Sie das eigentlich nicht zynisch gegenüber Bosnien-Herzegowina, wo ein Fünftel der Menschen mit weniger als 2 US-Dollar pro Tag auskommen muss? Sind 2 US-Dollar für Sie einfach zu viel?

Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich die Lage in Bosnien-Herzegowina weiter verschlechtert. Der Gesamtstaat musste Kredite vom IWF aufnehmen und sich im Gegenzug Kürzungspakete diktieren lassen. Gegen diese Kürzungen gab es massive Streiks und Demonstrationen. Unter den Protestierenden waren auch viele Behinderte, deren Zuschüsse und kostenloser Zugang zum Gesundheitssystem vom IWF gestrichen wurden. Am 21. April dieses Jahres wurden bei einer solchen Demonstration 70 Menschen zum Teil schwer verletzt.

Die Bundeswehr kam dabei noch nicht zum Einsatz, aber sie ist an der Ausbildung der bosnischen Polizei beteiligt. Deutsche Außenpolitik ist hier wahrlich keine Friedenspolitik. Deshalb ist hier eine Umkehr erforderlich. Ich würde mir wünschen, Sie würden auch nur einmal genauer hinsehen, was die Folgen Ihres Handelns vor Ort sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch die International Crisis Group wahrlich keine linke Institution räumt ein, dass durch diese neoliberalen Diktate der Ethno-Nationalismus dort befeuert wird.

(Zurufe von der FDP)

Ja, das sagt die International Crisis Group. Das passt Ihnen natürlich nicht. Jüngst haben diese Diktate auch zu einem neuerlichen Anstieg ethnisch motivierter Gewalttaten in Bosnien-Herzegowina geführt. Jetzt droht eben auch noch die Föderation Bosnien-Herzegowina auseinanderzubrechen. Die EU-Mission Althea soll fortgesetzt werden und der Hohe Repräsentant soll mit seinen Sonderbefugnissen weiter im Land verbleiben, um diese neoliberalen Diktate abzusichern.

(Michael Brand (CDU/CSU): Ach je!)

Dabei sind Sie Teil des Problems. Durch Ihre Politik in Bosnien-Herzegowina wird der Nationalismus dort weiter geschürt. Das muss meiner Meinung nach umgehend ein Ende haben.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Dass Nationalisten zu Nationalismus reden!)

Zum Schluss: Die militärische Absicherung neoliberaler Reformen und die Einbindung Bosniens in die NATO muss beendet werden. Das Büro des Hohen Repräsentanten muss aufgelöst werden. Nur so und durch die finanzielle Unterstützung der hiesigen Bevölkerung kann sich Bosnien eigenständig entwickeln. Ihre Politik wird dagegen nicht den Frieden sichern helfen. Ziehen Sie also die Bundeswehr aus Bosnien-Herzegowina ab. Verschlimmern Sie nicht noch das soziale Elend in Bosnien, wie Sie es in den letzten Jahren gemacht haben. Achten Sie endlich ein Minimum das ist wirklich nicht zu viel verlangt an Rechtsstaatlichkeit auch auf dem Balkan.

(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte (CDU/CSU): Vier Minuten Theatralik!)

Kurzintervention von Dr. Rainer Stinner (FDP) und der Antwort von Sevim Dagdelen (DIE LINKE)