CDU ringt um Zuwanderung von Fachkräften

Von Martin Bernstein

und Roland Preuß

München/Berlin – In der CDU ist eine Kontroverse über die Zuwanderung von Fachkräften über ein Punktesystem entbrannt. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) lehnte am Dienstag ein Punktesystem ab und wandte sich damit gegen seine Kabinettskollegin Bildungsministerin Annette Schavan (CDU). "Mich ärgert, dass das geltende Zuwanderungsrecht schlecht gemacht wird und ein Punktesystem als selig machend angesehen wird", sagte de Maiziere dem ZDF. Kanada, das als Beispiel für ein funktionierendes Punktesystem angeführt werde, habe eine ganz andere Situation als Deutschland. Bundeswirtschaftsminister Bainer Brüderle (FDP) hatte zuvor das kanadische Punktesystem als vorbildlich gelobt.

De Maiziere sagte dazu, in Kanada gebe es kaum ungesteuerte Zuwanderung. "Jeder plaudert so daher, ohne sich mit der Sach- und Rechtslage zu beschäftigen", fügte der Minister hinzu. "Das geltende Recht ist sehr zuwanderungsfreundlich, wenn man es nutzt", sagte de Maiziere. Es gehe nicht darum, "dass den Arbeitgebern wie gebratene Tauben zu Billiglöhnen irgendwelche Leute zugeführt werden vom Staat".

Schavan warb dagegen erneut für ein Punktesystem. Wer die Zuwanderung steuern wolle, benötige dafür ein Instrument, sagte sie ebenfalls im ZDF. Am Wochenende hatte sich bereits der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, klar für ein Punktesystem ausgesprochen. Bei dem Modell werden Fachkräfte aus dem Ausland systematisch nach Kriterien wie Bildung, Alter und Bedarf des Arbeitsmarktes ausgewählt.

Die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, forderte eine "Willkommenskultur statt Rassismus" zu praktizieren. In Berlin stellte sie ein Konzept ihrer Partei zur Zuwanderung und zum Fachkräftemangel vor. Ein Antrag der Grünen, der in der kommenden Woche im Bundestag behandelt wird, sieht vor, die Mindestgehaltsgrenze für hochqualifizierte Zuwanderer von gut 66 000 im Jahr auf 40 000 Euro abzusenken. Mit Blick auf die FDP, deren Generalsekretär Christian Lindner am Montag eine ähnliche Summe genannt hatte, und gleichlautende Vorschläge aus der CDU forderte Künast die Regierungskoalition auf, dem Antrag der Grünen zuzustimmen.

Den Einwand des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, der davor gewarnt hatte, hochqualifizierte Einwanderer könnten als "Lohndrücker" missbraucht werden, bezeichnete Künast als "Unsinn". In Bereichen, in denen händeringend Fachkräfte gesucht würden, könne man keine Löhne drücken. Zur Behebung des Fachkräftemangels schlagen die Grünen unter anderem vor, die Zuwanderung durch ein Punktesystem zu steuern.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge teilte mit, dass etwa 30 Prozent derjenigen, die als Hartz-IV-Empfänger zu einem Integrationskurs verpflichtet wurden, diesen nicht antreten oder vorzeitig abbrechen. Diese Schätzwerte ergäben sich aus neuen internen Analysen, sagte eine Sprecherin der Behörde. "Man darf diesen Anteil aber nicht mit Integrationsverweigerern gleichsetzen", betonte sie. Die Zahl der Kursabbrecher wird immer wieder im Zusammenhang mit angeblich Integrationsunwilligen genannt. Tatsächlich gibt es dem Bundesamt zufolge jedoch viele Gründe für diese Migranten, nicht zum Unterricht zu erseheinen. So nehmen viele beispielsweise eine Arbeitsstelle an, sind schwanger geworden, betreuen Familienangehörige oder sind schwer erkrankt. "Aber es gibt auch mangelnde Motivation", sagte die Sprecherin.

Die Bundesregierung hat offenbar weiter keine sicheren Erkenntnisse darüber, wie viele der Abbrecher als Schwänzer einzustufen sind. Dies geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums vom Montag auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Über die Gründe des einzelnen Kursabbrechers "wird die Bundesregierung keine Mutmaßungen anstellen", heißt es darin. Die Linken-Migrationsexpertin Sevim Dagdelen sagte, es sei "unredlich", dass Politiker von CDU, CSU, SPD und FDP Migranten anklagen und von Integrationsverweigerung sprechen, obwohl es keine Beweise dafür gebe.

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