CDU und Grüne Hand in Hand: Wahlkampf auf dem Rücken von Migranten

Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Keine Visafreiheit für Inhaber russischer Dienstpässe – Keine Visumspflicht für Menschen aus dem Westbalkan"

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zu dem einen Thema, dem geplanten EU-Mechanismus zur Wiedereinführung der Visumpflicht, unter anderem bei angeblichem Asylmissbrauch. Ich muss darauf hinweisen: Die Linke hat schon vor einem Jahr in parlamentarischen Anfragen auf den Skandal aufmerksam gemacht, dass die Abschottungspolitik der Europäischen Union dazu führt, dass die Reisefreiheit von Menschen aus den Westbalkan-Ländern eingeschränkt wird, insbesondere im Hinblick auf Roma aus Serbien und Mazedonien.

Damals hatte die EU-Kommission gerade ihren ersten Vorschlag für einen Aussetzungsmechanismus in Bezug auf die Visafreiheit vorgelegt. Inzwischen ist die politische Entscheidung auf der EU-Ebene leider längst gefallen. Dass heute eine Aktuelle Stunde dazu angesetzt wurde, zeigt, dass es Ihnen ‑ damit meine ich die CDU/CSU, aber auch die Grünen ‑ um etwas anderes geht. Darauf komme ich etwas später noch einmal zu sprechen.

Ich muss sagen, dass man an rassistischer Hetze in diesem Land mittlerweile einiges gewohnt ist. Mein Vorredner sprach von einer nötigen Willkommenskultur. Ich möchte Sie bitten, eine solche Forderung einmal an Ihren Bundesinnenminister Friedrich zu richten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie zum Beispiel im Fall des SPD-Mitglieds Sarrazin muss erst die UNO diesem Land den Spiegel vorhalten, was Rassismus ist. Aber das, was wir von Innenminister Friedrich an Hetze gegen Roma vom Balkan gehört haben, übertrifft wirklich alles. Roma werden von Ihnen mit saloppen Sprüchen pauschal als Asyl- und Sozialhilfemissbraucher verleumdet. Sie leisten damit in Deutschland einem Klima Vorschub, in dem ein lebensgefährlicher ‑ tatsächlich lebensgefährlicher ‑ Rassismus möglich ist.

Um es ganz deutlich zu sagen: Auch ein Herr Bundesminister Friedrich ist ein Fall für den UN-Antirassismus-Ausschuss.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieser Bundesinnenminister spannt auch noch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einer bislang beispiellosen Mobilmachung dafür ein, dass Asylsuchende aus Serbien und Mazedonien in einem zuletzt nur siebentägigen Schnellverfahren abgelehnt wurden. 98 Prozent aller Asylablehnungen bei serbischen Flüchtlingen im letzten Quartal des Jahres 2012 lauteten auf „offensichtlich unbegründet", und das trotz der erheblichen Diskriminierung und auch Ausgrenzung von Roma in Serbien. Das ist Ihnen offensichtlich gleichgültig.

Ich muss mutmaßen: Aber hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder einmal gelogen, als sie im Oktober 2012 bei der Enthüllung des Denkmals für die vom Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma vorgab, „wo auch immer und innerhalb welcher Staatsgrenzen auch immer sie leben", für die Rechte von Roma und Sinti kämpfen zu wollen? Einerseits sagt sie das, andererseits schickt sie im Jahr 2012 ihren Innenminister los, um gegen nicht einmal 12 000 Roma aus Serbien und Mazedonien ‑ die Hälfte von ihnen Kinder ‑ zu hetzen. Da fragt man sich: Warum nur?

Die Antwort kann nur sein: Die Bundesregierung will ihren Wahlkampf auf dem Rücken der Migrantinnen und Migranten austragen.

(Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU): Quatsch!)

Das ist unerträglich. Die Linke ist gegen diese rassistische Hetze. Ich sage Ihnen, Herr Kollege: Sie werden damit nicht durchkommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Was aber die Fraktion der Grünen angeht, bin ich nicht minder erschüttert. Ich finde es völlig daneben, wenn Sie die Visapolitik

(Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU): Sie sind völlig daneben!)

für außen- und innenpolitische Anliegen instrumentalisieren. Sie tun der Visafreiheit einen Bärendienst, wenn Sie hier lauthals gegen Visaerleichterungen schreien und brüllen. Was ist das nur für ein Signal, wenn Sie auf der einen Seite gegen Visaerleichterungen sind und auf der anderen Seite sagen, Sie sind für die Visafreiheit für die Menschen aus dem Westbalkan!

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei fabulieren Sie auch noch pauschal von einem Repressionsapparat. Dass man eine Außenpolitik macht, indem sich gegenseitig potenzielle Menschenrechtsverletzer auf eine Einreiseverbotsliste setzen ‑ wie derzeit die USA und Russland ‑, das kann doch kein Vorbild sein. Ich hoffte eigentlich, dass das auch kein Vorbild für die grüne Partei ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sollten endlich mit Ihren antirussischen Reflexen aufhören.

Wir ‑ um es klarzustellen ‑ sind gegen eine Visaliberalisierung nur für Dienstpassinhaber. Wir fordern Reiseerleichterungen für alle. Ich denke, wir brauchen Visafreiheit für alle, und auf dem Weg dorthin brauchen wir auf jeden Fall Erleichterungen auf allen Ebenen. Deshalb bitte ich Sie, doch Ihre antirussischen Reflexe ad acta zu legen

(Zurufe von der Linken: Genau!)

und dabei mitzumachen, Reisefreiheit für wirklich alle Menschen möglich zu machen. Sie sollten die Flüchtlinge nicht für Ihre konfliktverschärfende Außenpolitik instrumentalisieren.

(Beifall bei der LINKEN)