Schritt zur weiteren Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung in Serbien ablehnen
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der ersten Beratung am 16. Dezember 2010 haben alle Fraktionen bis auf die Linke das Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen mit Serbien als wichtigen Schritt und große Chance für Serbien bezeichnet.
(Beifall des Abg. Dr. Rainer Stinner (FDP) – Zuruf von der LINKEN, an den Abg. Dr. Rainer Stinner (FDP) gewandt: Klatschen Sie nicht zu früh!)
Ein wichtiger Schritt wohin, Herr Stinner, und eine große Chance für wen?
Die Linke sagt Ihnen, was das Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen für ein Schritt ist. Es bedeutet schlicht eine Unterstützung von Liberalisierung, Deregulierung und auch Privatisierung. Das Abkommen ist Ausdruck einer Politik, die die Europäische Union und zahlreiche ihrer Mitgliedstaaten in eine schwere Krise geführt hat. Die Lage für die serbische Bevölkerung ist bereits jetzt desaströs. Infolge eines noch schärferen Liberalisierungskurses werden sich die Massenarmut und die Massenarbeitslosigkeit in Serbien aber noch weiter vergrößern.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Linke fordert deshalb eine Abkehr von diesem Crashkurs. Was sich in der EU als falsch erwiesen hat, können wir nicht ernsthaft exportieren wollen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Abkommen sei eine Chance für Serbien, heißt es bei Ihnen. Eine Chance für wen? Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Serbien können damit jedenfalls nicht gemeint sein. Ihre Lage ist schon jetzt katastrophal. Das gilt insbesondere für diejenigen, die in deutschen Unternehmen beschäftigt sind, zum Beispiel für die Mitarbeiter des deutschen Unternehmens Dräxlmaier in der Vojvodina. Sie beklagen in dem Betrieb, der Kabel unter anderem für Audi, Mercedes-Benz, BMW und VW herstellt, schlimmste Arbeitsbedingungen. Die Unternehmensleitung geht mit üblen Methoden gegen die gewerkschaftlich aktiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor. So wurde zum Beispiel eine sogenannte gelbe Gewerkschaft installiert, um den gewerkschaftlichen Kampf der Beschäftigten für bessere Arbeitsbedingungen zu behindern. In einem Schreiben wandte sich der zweitgrößte Gewerkschaftsdachverband Serbiens an die deutschen Kollegen von IG Metall und BMW. Sie forderten Solidarität gegen ich zitiere „Willkür, Überheblichkeit, Arroganz und Verstoß gegen Gesetze" ein. Ich frage mich: Warum unternimmt die Bundesregierung nichts dagegen?
(Beifall bei der LINKEN)
Es darf uns nicht gleichgültig sein, wenn deutsche Unternehmen die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und gewerkschaftliche Rechte mit Füßen treten, auch nicht, wenn das in Serbien der Fall ist. Deshalb steht die Linke auch an der Seite der Beschäftigten in Serbien.
(Beifall bei der LINKEN Peter Beyer (CDU/CSU): Zum Thema!)
Derzeit wird Druck von IWF, EU und Deutschland gemacht für ein Gesetz zur Privatisierung kommunaler Betriebe in Serbien. Dieser Druck soll jetzt noch weiter erhöht werden. Meine Damen und Herren, das ist eine falsche Politik.
Bereits bis zum 31. März 2011 soll die serbische Telekom an einen ausländischen Investor verkauft werden. Die Deutsche Telekom AG nimmt an diesem Privatisierungsverfahren teil und wird als möglicher Käufer gehandelt.
(Peter Beyer (CDU/CSU): Das ist eine gute Sache! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Bravo!)
– Sie sagen „bravo". Das zeigt, was Sie für einen volkswirtschaftlichen Sachverstand haben.
(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der FDP: Fahren Sie mal hin!)
Die serbische Telekom ist das erfolgreichste Unternehmen in Serbien und erwirtschaftet jedes Jahr Gewinne. 2009 waren es 197 Millionen Euro. Für wen ist das also eine Chance? Das ist mit Sicherheit keine Chance für diejenigen, die infolge dieser Privatisierungen ihren Job verlieren werden und schlechtere Arbeitsbedingungen hinnehmen sollen.
Deshalb denken wir, dass das, was schon bisher geschehen ist, eine falsche Politik ist. Dieses Abkommen, das mehr Privatisierung, mehr Deregulierung und mehr Liberalisierung beinhaltet, ist eine Fortsetzung dieser falschen Politik. Deshalb fordern wir eine Umkehr.
(Beifall bei der LINKEN)
In diesem Zusammenhang ist es völlig inakzeptabel, dass Druck auf Serbien hinsichtlich der Statusfrage des Kosovo ausgeübt werden soll. Das zeigt, wes Geistes Kind die Bundesregierung ist. Sie hat sich zum Führer der sogenannten Kosovoregierung, Hashim Thaci, bisher nicht klar geäußert. Thaci wird in einem Bericht des Europarats schwerster Kriegsverbrechen und krimineller Machenschaften beschuldigt. Warum ignoriert die Bundesregierung diesen Bericht, der von einem Schweizer Liberalen, von Dick Marty, stammt, der auch schon den Bericht zu den CIA-Folterflügen angefertigt hat? Wir können den Grund nur vermuten.
(Peter Beyer (CDU/CSU): Sitzt in Ihrer Rede nur Deutschland auf der Anklagebank?)
Man steht in Nibelungentreue zu diesem Mann, der einem auch während des NATO-Angriffskrieges gegen Jugoslawien gute Dienste geleistet hat.
Frau Beck, auch von Ihnen höre ich nichts. In Ihrer Haltung zu Thaci zeigt sich, dass sowohl die schwarz-gelbe Koalition als auch Rot-Grün weiter nicht bereit sind, über die Leichen im Keller der deutschen Außenpolitik zu sprechen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Linke ist der Meinung, dass das inakzeptabel ist. Es ist Zeit für eine demokratische, friedliche und auch soziale Außenpolitik. Das ist möglich, meine Damen und Herren, auch wenn es der Umkehr sowohl der Bundesregierung als auch der SPD und insbesondere der Grünen bedarf.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Wenn Sie erlauben, Herr Präsident, möchte ich abschließend meine Freude über die Meldung ausdrücken, dass der Rücktritt von Mubarak heute anstehen wird. Ich hoffe, das wird so geschehen. Meine Damen und Herren, Mubarak ist ein Mann, den Sie jahrzehntelang unterstützt haben. Ich denke, eine andere Außenpolitik ist mehr als nötig.