Der Terror kehrt zurück

Anschläge in Istanbul

Von Sevim Dagdelen

Noch sind viele Fragen offen, die die Hintergründe und Motive des furchtbaren Anschlags von Istanbul betreffen. Innenminister Thomas de Mazière will bereits jetzt ausschließen, dass gezielt Deutsche angegriffen wurden. Justizminister Heiko Maas sieht keine erhöhte Anschlagsgefahr in Deutschland. Dies erscheint dann doch wie ein Pfeifen im Walde. Hinter solchen Beruhigungsansprachen an die Bevölkerung soll verborgen werden, dass sich durch die deutsche Beteiligung am Krieg in Syrien die Terrorgefahr erheblich erhöht hat. Dies will die Bundesregierung selbstverständlich nicht einräumen, würde es doch die Akzeptanz der völkerrechtswidrigen Kriegsbeteiligung weiter erschüttern. Und wie es im Propagandakrieg üblich ist, wird, wer diesen Zusammenhang auch nur wagt anzusprechen, beschuldigt, gemeinsame Sache mit dem »Islamischen Staat« (IS) zu machen.

Dabei ist es die Bundesregierung, die den Terrorpaten Recep Tayyip Erdogan unterstützt, der den IS groß gemacht hat. Es ist die Bundesregierung, die weiterhin Waffen an Erdogan liefert, der islamistische Terrormilizen in Syrien bewaffnet und dessen doppeltes Spiel in Sachen IS immer weniger aufgeht. Es ist die Bundesregierung, die die türkischen Einsatzkräfte für ihren Krieg gegen die Kurden hochrüstet. Bei diesem sind selbst nach Angaben des Auswärtigen Amts bereits über 200 Zivilisten getötet worden. Und es ist diese Bundesregierung, die keine Einwände hat gegen die Blockade der sich mutig dem IS entgegenstellenden syrischen Kurden durch Erdogan und Co.

Erdogans Türkei ist zu wichtig für die Abwehr syrischer Flüchtlinge, als dass man Ankara zu einer ernsthaften Bekämpfung des IS durch Schließen der Grenze für den Nachschub auch nur ermahnen würde. Insofern gehen alle Worte der Bundesregierung zum Anschlag von Istanbul ins Leere. Man nimmt hin, mit einer Regierung in Ankara eng zu kooperieren, deren Unterstützung islamistischen Terrors in Syrien immer mehr in die Türkei selbst zurückkehrt.

Es darf zudem nicht unberücksichtigt bleiben, dass die türkische Regierungspartei AKP, die nur noch von besonders gutmeinenden Zeitgenossen als islamisch-konservativ charakterisiert wird, von einer Strategie der Spannung politisch profitiert hat. Eine erhebliche Rolle spielen dabei die Anschläge des IS im vergangenen Jahr. So konnte sich die AKP als Partei präsentieren, von der Recht und Ordnung abhängen würden. Dies trug dazu bei, die Mehrheit bei den Neuwahlen wieder zu erringen. Wer darauf setzt, mit diesen Partnern den IS zu bekämpfen, der macht den Bock zum Gärtner. Statt Nibelungentreue, muss es endlich um einen Stopp deutscher Waffen an Erdogan gehen. Dies wäre ein Zeichen für Frieden und gegen Terror.

Sevim Dagdelen ist Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages und Sprecherin für Internationale Beziehungen der Linksfraktion

Quelle: junge welt

 

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