Deutsch muss sein
Von Steven Geyer
Vom regelrechten Jubel bis zur verständnislosen Enttäuschung reichten am Mittwoch die politischen Reaktionen über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Die Leipziger Richter haben als höchste Instanz entschieden: Es widerspricht weder dem Grundgesetz, noch dem Europarecht, dass ausländische Eheleute nur dann zu ihrem Partner nach Deutschland kommen dürfen, wenn sie Deutschkenntnisse in Wort und Schrift nachweisen können. Diese Regelung hatte die große Koalition 2007 eingeführt.
Auch die neue Regierung fühlt sich nun durch das Urteil bestätigt, sagte Integrations-Staatsministerin Maria Böhmer (CDU). Der Erwerb der deutschen Sprache im Herkunftsland diene der Integration und der Verhinderung von Zwangsehen. Das hätten auch die Richter in ihrer Urteilsbegründung betont. Gerade Frauen profitierten davon, wenn sie schon bei ihrer Ankunft über grundlegende Deutschkenntnisse verfügten, sagte Böhmer. Sonst blieben sie nur Zaungast in Deutschland.
"Alphabetisierung zumutbar"
Hocherfreut reagierte Unions-Fraktionsvize Günter Krings. Die Entscheidung sei "außerordentlich zu begrüßen": "Besonders erfreulich ist der an Deutlichkeit nicht zu überbietende Hinweis des Gerichts, dass der klagenden Analphabetin und Mutter von fünf Kindern aus der Türkei sowohl die Alphabetisierung als auch der Erwerb deutscher Sprachkenntnisse vor der Einreise nach Deutschland zumutbar ist", sagte Krings.
Gerade daran zweifeln die Kritiker des Gesetzes. Das Gericht habe eine "familienfeindliche Regelung" bestätigt, erklärte etwa Marei Pelzer von der Arbeitsgemeinschaft Pro Asyl.
Rotes Kreuz: Ausnahmen nötig
Der Besuch eines Deutschkurses gerade durch Flüchtlinge sei "schlicht utopisch". Im Extremfall führe die Regelung zu einem dauerhaften Nachzugsverbot. Auch das Deutsche Rote Kreuz fordert eine Härtefallregelung, die Grünen nennen das Gesetz "integrations- und familienfeindlich".
Vor dem Verwaltungsgericht geklagt hatte eine türkische Analphabetin, deren Visumsantrag die Behörden wegen fehlender Deutschkenntnisse abgelehnt hatten. Die Frau wollte zu ihrem in Deutschland lebenden türkischen Ehemann reisen. Sie führte an, sie habe weder Lesen noch Schreiben gelernt und müsse in ihrer Heimat für einen Deutschkurs mehr als 400 Kilometer weit fahren.
Solche Härtefälle sind nicht selten, betont die Linkspartei. "Das führt zu einer sozialen Selektion bei den einreisewilligen Ehepartnern", sagte die migrationspolitische Sprecherin der Linken, Sevim Dagdelen, der FR. Eine Regierungsantwort auf eine Anfrage ihrer Fraktion zeigt, dass im Ausland angebotene Deutschkurse geringe Erfolgsaussichten haben: Im Schnitt kann nur jeder fünfte Prüfling vorab einen Kurs besuchen, insgesamt fällt ein gutes Drittel der Teilnehmer durch den Test. Die Erfolgsquote an Goethe-Instituten ist viel höher – aber die gibt es nur selten, in Lateinamerika etwa fast gar nicht, und wenn, sind sie nur in Städten zu finden.
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