Deutsche Visapraxis bleibt sozial selektiv

„An der willkürlichen Visumspraxis hat sich nichts Wesentliches geändert. Lediglich für die von der deutschen Wirtschaft als nützlich und erwünscht betrachteten ausländischen Fachkräfte sollen die Tore der Festung Deutschland bei den Visaerteilungen einen Spalt breit geöffnet werden. Im Gegensatz zur Türkei soll Russland davon profitieren. Das Festhalten an der Visapflicht für türkische Staatsangehörige ist europarechtswidrig und damit Unrecht. Die Bundesregierung muss dieses Unrecht beenden und nicht weiter aus rechtspopulistischen Gründen fortsetzen", so Sevim Dagdelen anlässlich der Antwort der Bundesregierung auf ihre Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/6225). Die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE weiter:

„Visumablehnungen kommen insbesondere in Bezug zu Bürgerinnen und Bürgern aus afrikanischen Staaten sehr viel häufiger vor. Die Ablehnungsquoten betrugen 2010 beispielhaft: Guinea 50 Prozent, Kongo 44 Prozent, Senegal 43 Prozent, Ghana 30 Prozent, Kamerun 35 Prozent, Nigeria 36 Prozent. Bemerkenswert ist auch die doppelt so hohe Ablehnungsquote in der Türkei (15 Prozent); das entspricht 22.634 Visumablehnungen im Jahr 2010. Hier ist die hohe Ablehnungsquote schon allein deshalb fragwürdig, weil nicht nur in der juristischen Fachliteratur mehrheitlich davon ausgegangen wird, dass infolge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs türkische Staatsangehörige jedenfalls zu touristischen Zwecken wegen der EU-Assoziierungsabkommen gar kein Visum benötigen und visumfrei einreisen können müssten. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages vertritt die Rechtsauffassung, dass die seit 1980 geltende Visumpflicht für türkische Staatsangehörige etwa für touristische Besuche gegen verbindliches EU-Recht verstößt.

In der Visapraxis der Bundesregierung fordert DIE LINKE eine grundlegende Korrektur der restriktiven Politik einer sozialen Selektion und Ausgrenzung."