Die Sanktionen sind ein Bumerang

Rede von Sevim Dagdelen auf der Kundgebung „Genug ist genug: Protestieren statt frieren. Heizung, Brot und Frieden“ am 5. September 2022 vor der Bundesgeschäftsstelle von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin:


Liebe Freundinnen und Freunde,

vielen Dank, dass ihr so zahlreich erschienen seid, obwohl es im Vorfeld so viele Diffamierungen und Denunziationen gegeben hat. Wir sind weder rechts noch sind wir irgendwelche „Putin-Trolle“. Wir sind Bürgerinnen und Bürger in Sorge aufgrund einer Politik, die uns in den Ruin treibt.

Wir protestieren hier und heute, weil wir im Winter nicht frieren wollen. Wir protestieren hier und heute, weil wir nicht im Dunkeln sitzen, sondern wieder Perspektiven sehen wollen. Wir protestieren hier und heute vor der Geschäftsstelle der Grünen, weil zwei Minister dieser Partei, Annalena Baerbock und Robert Habeck, wesentlich verantwortlich sind für eine desaströse Regierungspolitik. Deshalb sind sie der richtige Adressat unserer Proteste.

Außenministerin Baerbock hat heute in ihrer Rede bei der Botschafterkonferenz in Berlin gesagt, es gebe für sie zwei entscheidende Punkte in der Außenpolitik. Das erste sei eine Politik der „klaren Haltung“ und das zweite sei eine Politik, die erläutert und erklärt.

Liebe Freundinnen und Freunde,

von der Haltung kann ich meine Wohnung nicht heizen. Und von einer Politik, die uns erklärt, warum wir alle ärmer werden, will ich auch nichts wissen. Ich will eine Politik, die verhindert, dass Millionen Menschen in diesem Land ärmer werden.

Und da muss man sich ehrlich machen: Der Wirtschaftskrieg der Bundesregierung hat sich in eine Sackgasse hineinmanövriert. Die Sanktionen gegen Russland treffen in erster Linie doch nicht den Präsidenten Putin und sie stoppen augenscheinlich nicht den völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine, sondern sie ruinieren das Leben von Millionen Menschen in diesem Land. Und sie ruinieren Millionen Arbeitsplätze durch eine Politik der De-Industrialisierung.

Maßgeblich verantwortlich für diese zentralen Bereiche der Politik sind die Grünen mit Annalena Baerbock und Robert Habeck.

Laut einer aktuellen Umfrage wollen 77 Prozent der Bundesbürger, „dass der Westen Verhandlungen über eine Beendigung des Ukraine-Krieges anstoßen sollte“. 87 Prozent der Befragten halten es für richtig, dass westliche Regierungschefs weiterhin mit Putin sprechen. Baerbock, die Chefdiplomatin sein sollte in diesem Land, lehnt Diplomatie und Verhandlungen dagegen ab und will endlos Waffenlieferungen in die Ukraine. Und deshalb ist dieser Protest heute hier richtig, liebe Freundinnen und Freunde.

Und sie wollen an diesen irrsinnigen Sanktionen festhalten. Ich sage, das ist absurd. Ich nenne dazu nur zwei Zahlen: Der russische Energieriese Gazprom, den man mit den Sanktionen ja treffen wollte, meldet dank gestiegener Weltmarktpreise infolge der Wirtschaftssanktionen des Westens Rekordgewinne von 41,6 Milliarden Dollar. Und die US-amerikanische Fracking-Industrie verdient mit ihrem dreckigen Flüssiggas 200 Millionen Dollar pro LNG-Tanker, während Millionen Bürgerinnen und Bürger nicht wissen, wie sie Tausende Euro Mehrkosten für Gas und Strom bezahlen sollen.

Die Sanktionen sind ein Bumerang und deshalb müssen sie endlich gestoppt werden!

Die immer neuen symbolischen Entlastungspakete sind nichts anderes als Beruhigungspillen. Ein paar Brosamen für die Leute, aber die Gasumlage zur Förderung der Gewinne der Energiekonzerne bleibt – das muss man sich einmal vorstellen: Es geht nicht darum, Betriebe und Unternehmen vor dem Ruin und Konkurs zu bewahren. Es geht darum, Konzernen ihre Gewinne zu sichern. Und deshalb wollen wir nicht Ja sagen zu einer Reform oder Überarbeitung der Gasumlage. Diese Gasumlage muss ersatzlos gestrichen werden.

Und während russische und amerikanische Oligarchen den Reibach machen aufgrund der Wirtschaftssanktionen, machen immer mehr Unternehmen in Deutschland jetzt schon dicht, weil sie die Energiepreise nicht mehr bezahlen können. Millionen Beschäftigte sind von diesen Betriebsschließungen bedroht.

In Bremen und Hamburg legt der Stahlkonzern ArcelorMittal angesichts der hohen Energiepreise Anlagen still, weil sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Ähnliches droht Energie-intensiven Unternehmen wie den Glashütten in Thüringen. Viele Bäckerbetriebe auch in meinem Bundesland, in Nordrhein-Westfalen, wissen nicht mehr, wie sie die kommenden Monate überstehen sollen angesichts der dramatisch steigenden Preise und der steten Sorge, ob denn das Gas überhaupt kommen wird. Hier geht um Unternehmen, die seit vielen Jahrzehnten – in manchen Fällen seit Jahrhunderten – bestehen, Arbeitsplätze geschaffen haben und immer von Generation zu Generation fortgeführt worden sind, schreiben mit die Bäcker aus dem Rheinland und Westfalen-Lippe. Und es geht um Zehntausende Beschäftigte bei ihnen, die sich fragen, wie sie die aktuellen Kostensteigerungen tragen sollen.

Es kann nicht sein, dass die Ampel das mit einem Schulterzucken quittiert und zuschaut, wie Millionen Menschen nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen. Und deshalb ist Protest und Widerstand dringend notwendig.

Ich bin froh, heute hier zu sein. Ich komme gerade aus Hamburg und soll euch solidarisch grüßen von Holger Isabelle Jänicke. Er ist zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt worden und im offenen Vollzug, weil er in Büchel mit zivilem Ungehorsam gegen die Lagerung von US-Atomwaffen protestiert hat. Wenn er könnte, wäre er heute gerne hier mit dabei gewesen.

Es ist schön, dass viele von euch gekommen sind. Aber wir müssen viele mehr werden, damit es Annalena Baerbock am Ende eben nicht mehr egal sein kann und egal sein wird, was ihre Wähler denken. Deshalb: Sprecht mit euren Familien, mit euren Freuden, mit euren Kommilitonen, mit euren Mitschülern, mit euren Kollegen am Arbeitsplatz, mit euren Nachbarn. Holt sie mit auf die Straße!

Wir brauchen diesen Protest. Lasst uns diese Kampfansage weiterführen. Und lasst euch nicht für dumm verkaufen. Es ist eine Propagandamasche, eine unliebsame Meinung und Position in eine bestimmte Ecke zu stellen, um diese Position indiskutabel zu machen.

Manchmal sagen sie, wir sind Rechte, manchmal sagen sie, wir sind „Putin-Trolle“. Wir sind nichts von dem. Wir sind Demokraten, die hier das Recht auf Versammlungsfreiheit praktizieren und gegen die Ampel-Regierung protestieren.

Ich komme aus dem Ruhrgebiet. Bei uns sagt man, Glück auf! Für Heizung, Brot und Frieden! Lasst uns mehr werden.

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