„Die Leitkultur ist das Grundgesetz"
Früher wurden Zuwanderer wegen ihrer Nationalität diskriminiert, heute ist es ihr Glauben. „Der neue Rassismus argumentiert mit Kulturen", so Sevim Dagdelen. Bundestagsabgeordnete der Linkspartei bezieht engagiert Stellung.
Delmenhorst – Haben Wulff und Sarrazin Recht? Unter dieser provokanten Fragestellung hatte die Linkspartei in Delmenhorst die migrations- und integrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, Sevim Dagdelen (MdB), eingeladen. Knapp 40 Gäste waren dazu am Mittwochabend in die „Kerem Kulturkneipe" gekommen.
Sevim Dagdelen stellte eine aktuelle Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung an den Anfang ihres Diskussionsbeitrags. Danach driften die Deutschen politisch nach rechts und die Ausländerfeindlichkeit nimmt zu. Dazu besteht keine Veranlassung: „Das Asylrecht", so die Politikerin, „wurde in den neunziger Jahren nahezu abgeschafft, der Familienzuzug wurde erschwert, es kommen weniger Ausländer ins Land. Das Bild, alle können nach Deutschland kommen, stimmt einfach nicht".
Die schwierige wirtschaftliche Situation befördere einen „kulturdifferenzierten Rassismus". Die Abgeordnete: „Der deutsche und der türkische Arbeiter verstehen sich am Arbeitsplatz sehr gut". Die zweifelsohne existierenden Gegensätze würden medial hochgespielt. „Eine Mehrheit will den wirtschaftlich nützlichen Migranten, die Vorgaben werden von den Wirtschaftsverbänden gemacht, die Politik setzt sie um".
Die Integrationspolitik sei über Jahrzehnte in Deutschland verschlafen worden. Dagdelen: „Als mein Papa als Gastarbeiter kam, gab es keinen Sprachunterricht. Ausländer sollten ja bald wieder verschwinden." Früher seien Ausländer wegen ihrer Nationalität diskriminiert worden, heute sei es die Religion, der Islam. „Der neue Rassismus argumentiert mit Kulturen, etwa: Diese Kultur passt nicht in unseren Kulturkreis".
Die Bundestagsabgeordnete plädierte für einen differenzierteren Rassismus-Begriff: „Nicht jeder, der sich ausländerfeindlich äußert, ist ein Neonazi". Deutschland brauche auch keine Leitkultur, denn: „Die Leitkultur ist das Grundgesetz, Schluss, Punkt!"
Die anschließende lebhafte Diskussion signalisierte ein starkes Bedürfnis nach offensiver Auseinandersetzung mit dem Thema Islam, Muslime und Ausländerfeindlichkeit – mehr als die Hälfte der Besucher im „Kerem" entstammten nahöstlichen Ländern. „Das ist nicht das Ende der Diskussion in Delmenhorst," sagte Linke-Ratsherr und Parteisprecher Jörg Dombrowe in seinem Schlusswort. „Wir bleiben an diesem Thema jetzt dauerhaft dran".