DIE LINKE muss zeigen, dass sie an der Seite der MigrantInnen steht!

Vor wenigen Wochen ist ein Bericht des DGBs erschienen, der sich mit den Folgen von Verarmung und Arbeitslosigkeit auseinandersetzt. Wir sprachen mit der aus Duisburg stammenden migrationspolitischen Sprecherin der Linken, Sevim Dagdelen, über die Folgen der Arbeitslosigkeit, eine mögliche Schließung von Opel Bochum und die besonders schlechte Situation von MigrantInnen.

Die Freiheitsliebe: Du hast immer wieder die zunehmende Verarmung in NRW kritisiert. Wie schlimm ist die Situation?

Sevim Dagdelen: Im aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zeigt sich, dass die Armutsentwicklung in Nordrhein-Westfalen und im Ruhrgebiet am gravierendsten ist. Die Kurve der Armutsgefährdung geht nach oben: In Bochum beträgt die Gefährdungsquote bereits 17,7 Prozent und im Ruhrgebiet insgesamt 18,9 Prozent. Städte wie Duisburg und Dortmund, aber auch Essen sind noch stärker betroffen. Besorgniserregend ist vor allem die starke Zunahme in den letzten 5 Jahren.

Die Freiheitsliebe: Würde die Schließung von Opel Bochum diese Entwicklung befördern?

Sevim Dagdelen: Wenn Opel Bochum dicht macht werden in der Region insgesamt 45000 Arbeitsplätze gefährdet. Dann droht nicht mehr nur ein „armutspolitischer Erdrutsch", von dem der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht, sondern ein freier Fall des Ruhrgebiets. Viele Zulieferer müssten dann auch dicht machen. Das hat Johnson Controls zum Beispiel bereits erklärt. Hinzu kommen die geplanten Zechenstilllegungen 2015 in Marl und 2018 in Bottrop.

Die Freiheitsliebe: Was sind die Ursachen für die Verarmung?

Sevim Dagdelen: Im Grunde zeigen sich jetzt die schweren Folgen der Hartz-Gesetze, die Ausweitung der „atypischen Beschäftigung" und der unsozialen Kürzungspolitik der rot-grünen Landesregierung in NRW, die jetzt gerade bei den Wohlfahrtsverbänden massiv kürzen will. Es zeigt sich, dass DIE LINKE Recht hatte mit ihrer Warnung, dass Hartz IV Armut-per-Gesetz bedeutet. Dazu kommt, dass gerade die aktuelle Praxis der Werkschließungen und Massenentlassungen viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze vernichtet hat. Stattdessen blühen die Minijobs. Im ländlichen Bereich haben bis zu 40 Prozent der Beschäftigten einen Minijob. Besonders viele Frauen haben Minijobs. Damit ist nicht nur Armut und Abhängigkeit hier und heute, sondern auch eine regelrechte Armutswelle im Alter vorprogrammiert.

Die Freiheitsliebe: Inwieweit sind MigrantInnen besonders betroffen?

Sevim Dagdelen: Ein Drittel der Menschen in NRW haben einen Migrationshintergrund. Migrantinnen und Migranten sind dreimal so stark von Armut und prekärer Beschäftigung betroffen. Es findet eine schlimme soziale Desintegration statt, nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch in Städten wie Köln oder Münster. Und der soziale Druck auf Migrantinnen und Migranten wächst noch stärker als bei der Mehrheitsbevölkerung. Sowohl im Bereich der prekären Beschäftigung als auch was Wohnung und Gesundheit angeht. Und die zunehmende rassistische Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten im Alltag beschleunigt den sozialen Abstieg.

Die Freiheitsliebe: Wie kann diese Armutswelle gestoppt werden?

Sevim Dagdelen: Die Forderung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands nach einem armutspolitischen Sofortprogramm ist richtig. Wir brauchen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von mindestens 10 Euro pro Stunde, der am besten in der nächsten Legislatur auf 12 Euro ansteigen sollte, weil nur so auch Altersarmut vermieden werden kann. Und ich setze mich wie DIE LINKE für eine Soforterhöhung von Hartz IV auf 500 Euro ein. Dazu muss ein Maßnahmenpaket kommen, um den angekündigten Massenentlassungen einen Riegel vorzuschieben. All dies würde gerade auch Migrantinnen und Migranten helfen.

Die Freiheitsliebe: Wie kann die Verarmung und der soziale Abstieg von MigrantInnen gestoppt werden?

Sevim Dagdelen: Um die weitere Verarmung zu stoppen, fordert DIE LINKE gleiche Rechte und gleiche soziale Teilhabe für Migrantinnen und Migranten. Dies bedeutet auch einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt, Ausbildungsumlage, spezielle Förderung in den Schulen durch mehr Personal und die Einführung berufsspezifischer Sprachkurse, einen Rechtsanspruch auf die Anerkennung von Abschlüssen udn nicht nur der Prüfung, sowie das aktive und passive Wahlrecht für diejenigen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben. Hier muss endlich etwas geschehen. Schwarz-Gelb wie auch Rot-Grün haben hier die Hände in den Schoss gelegt. Für Migrantinnen und Migranten gibt es in der Regel nur warme Worte. DIE LINKE muss zeigen, dass sie an der Seite der Migrantinnen und Migranten steht und hier die Intitiativen der letzten Jahre gemeinsam mit Sozialverbänden, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen weiter vorantreiben.

Die Freiheitsliebe: Wir danken dir für das Interview.

Unser erstes Interview mit Sevim Dagdelen findet man hier.

Quelle: Die Freiheitsliebe