Diskriminierende Visumpraxis beenden

„Es ist ein Skandal: Selbst Minimalstandards des EU-Rechts werden in der Visumpraxis von deutschen Botschaften mit stillschweigender Billigung der Bundesregierung massiv verletzt. So halten sich deutsche Botschaften überwiegend nicht an die verbindlichen Regel-Vorgaben des EU-Visakodex bezüglich der Wartefristen. In acht Hauptherkunftsländern, die 59 Prozent des gesamten Visumantragsaufkommens ausmachen, ist dies der Fall. Dadurch müssen Menschen bis zu sieben oder acht Wochen auf einen Termin zur Vorsprache in der Botschaft warten, obwohl es nach EU-Recht maximal zwei Wochen sein sollen. Das lässt das offizielle Gerede von einer angeblichen ‚Willkommenskultur‘ zur Farce werden", erklärt die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Sevim Dagdelen, anlässlich der Antwort der Bundesregierung auf eine diesbezügliche Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/10022). Dagdelen weiter:

„Faule Ausreden wie saisonale Schwankungen sind wenig überzeugend. Denn die jährlichen Reisestoßzeiten sind hinreichend bekannt und vorhersehbar. Solche Ausreden sind aber auch heuchlerisch, wenn zugleich die Mitarbeiterkapazitäten im Bereich der Visumbearbeitung nicht ausgebaut, sondern im Gegenteil noch gekürzt werden, wie es in den letzten beiden Jahren der Fall war.

Ein handfester Skandal ist aber auch die diskriminierende Ungleichbehandlung von privat und geschäftlich Reisenden bei der Terminvergabe im Visumverfahren. Menschen, die ein Geschäftsvisum beantragen, erhalten zum Teil um mehrere Wochen schneller einen Termin zur Vorsprache. Anträge von Personen, die aus familiären oder touristischen Gründen nach Deutschland reisen wollen, werden dagegen auf die lange Bank geschoben. Das ist ein klarer und inakzeptabler Verstoß gegen die EU-Grundrechte-Charta, die solche Ungleichbehandlungen verbietet. Die Bundesregierung versucht sich damit rauszureden, dass nicht nach dem Reisezweck, sondern nach der vermeintlichen Dringlichkeit des Reisewunsches unterschieden würde. Dem widerspricht die Praxis, denn bei der Terminvergabe wird nur gefragt, ob ein Geschäfts- oder ein Privatvisum beantragt werden soll. Entsprechend werden intern unterschiedliche Termin-Kontingente für Geschäfts- und Privatreisende vorgehalten.

Ich fordere die Bundesregierung auf, diese europarechtswidrige und diskriminierende Visumpraxis sofort zu beenden! Meine Fraktion hat im Parlament umfassende Maßnahmen zur Visaliberalisierung im Sinne der Menschen eingefordert. Vergünstigungen nur für Geschäftsreisende mögen ins schwarz-gelbe Kalkül passen, werden von der LINKEN aber als diskriminierend und europarechtsrechtswidrig abgelehnt.