Doppelstaatsangehörige sind keine Deutschen 2. Klasse!
„Der Nachzug von Ehegatten zu hier lebenden deutschen Staatsangehörigen darf nicht mit der Begründung verweigert werden, die Lebensunterhaltssicherung sei nicht aus eigener Kraft gedeckt. Das gilt auch dann, wenn es sich um Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit handelt. Damit beendet das Bundesverwaltungsgericht eine durch die Bundesregierungen seit 2007 betriebene skandalöse Ungleichbehandlung im Aufenthaltsrecht", erklärt Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE zu der nun vorliegenden Begründung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil 10 C 12.12 vom 4. September 2012. Dagdelen weiter:
„Sachverständige, Verbände und auch DIE LINKE hatten frühzeitig das Gesetzesvorhaben von CDU/CSU und SPD scharf kritisiert, wonach der Ehegattennachzug zu deutschen Staatsangehörigen versagt werden kann, wenn die Betroffenen auf Sozialleistungen angewiesen sind. Nach der seit 2007 geltenden Regelung sei es insbesondere Doppelstaatlern zumutbar, in einem solchen Fall die eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland zu führen. Damit wurden faktisch deutsche Staatsangehörige 2. Klasse geschaffen und eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gezielt eingeführt. Begründet wurde dies zynisch damit, den Eingebürgerten solle mit der Pflicht zur Lebensunterhaltssicherung ein „Anreiz zur Integration" geboten werden.
Die Kritik wurde nun vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bestätigt. Ein Deutscher darf demnach grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, seine Ehe im Ausland zu führen oder auf ein eheliches Zusammenleben zu verzichten. Das gilt ausdrücklich auch dann, wenn eine weitere Staatsangehörigkeit vorliegt. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht die unerträgliche Diskriminierung eingebürgerter deutscher Staatsangehöriger beendet. Für DIE LINKE ist das nicht genug: Denn der Schutz von Ehe und Familie sollte gleichermaßen auch für in Deutschland lebende nicht-deutsche Staatsangehörige gelten.
Im Zuge dieser Urteilsbegründung fordere ich die Bundesregierung auf, die Verschärfungen beim Ehegattennachzug insgesamt zurückzunehmen. Das BVerwG hat für die Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug zu Deutschen – der mehr als die Hälfte des Ehegattennachzugs insgesamt ausmacht – eine allgemeine Zumutbarkeitsprüfung und Härtefallregelung vorgeschrieben. Damit können sich genau diejenigen, deren Einreise die Bundesregierung mit der Regelung verhindern oder erschweren wollte, auf eine Ausnahmeregelung berufen (Analphabetinnen und Analphabeten, Bildungsbenachteiligte, sozial Ausgegrenzte usw.). Die ohnehin europarechtswidrige Schikane beim Ehegattennachzug sollte deshalb besser früher als später zurückgenommen werden – im Interesse Tausender Ehegatten, deren Zusammenleben massiv behindert wird."