Ehegattennachzug: Bundesregierung setzt Grundsatzurteil nicht um
"Es ist ein Skandal: Die Bundesregierung verweigert eine schnelle und umfassende Umsetzung des Grundsatzurteils des Bundesverwaltungsgerichts zur Regelung der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug. Bisherige Umsetzungshinweise sind ungenügend, und amtliche Informationen im Internet berücksichtigen die umfangreichen Auswirkungen des Urteils nicht", kritisiert Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug nach erneuter Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts" (BT-Drs. 17/11441). Dagdelen weiter:
Die Regierung hatte bislang eine Härtefallklausel zu den Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug strikt abgelehnt. Seit dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom September ist eine solche Zumutbarkeitsprüfung beim Nachzug zu Deutschen aber zwingend erforderlich. Dass der Regierung dieses Urteil politisch nicht in den Kram passt, rechtfertigt die schleppende bis ungenügende Umsetzung nicht! Bis zum heutigen Tag stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf seiner Homepage die geltende Rechtslage falsch dar, denn auf die umfangreichen Folgen des Urteils wird mit keinem Wort hingewiesen.
Nach bisherigem Runderlass des Auswärtigen Amtes wird auf den Spracherwerb im Ausland beim Nachzug zu Deutschen nur ‚unter Anwendung eines strengen Maßstabes‘ verzichtet, wenn ‚nachweisliche Bemühungen des ausländischen Ehegatten zum Erwerb einfacher deutscher Sprachkenntnisse innerhalb eines Jahres nicht erfolgreich waren‘. Im Urteil heißt es aber ausdrücklich, dass eine Ausnahme bereits dann vorliegt, wenn der Spracherwerb ‚von vornherein nicht zumutbar‘ ist – etwa, weil im betreffenden Land keine Sprachkurse angeboten werden oder nur schwer zu erreichen sind oder wegen der persönlichen oder beruflichen Lebenssituation der Betroffenen. Eheleute unter solchen Bedingungen ein Jahr lang zwangsweise voneinander zu trennen, bevor eine Einreise erlaubt wird, ist schlicht verfassungswidrig!
Am besten, die Regierung schafft die diskriminierende Regelung der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug gleich ganz ab – nicht zuletzt, weil sie gegen EU-Recht verstößt. Die Regierung verweigert bezeichnenderweise hierzu nähere Auskünfte, um einem ‚möglichen Vertragsverletzungsverfahren‘ nicht vorzugreifen."