»Eine SPD light braucht keiner«
Interview: Markus Bernhardt
Sevim Dagdelen ist Beauftragte für Migration und Integration der Fraktion Die Linke im Bundestag und Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Migration der Partei
Konferenz »Für einen sozialen Aufbruch – gegen rechten Terror und Rassismus«, u.a. mit Sahra Wagenknecht und Bernd Riexinger, am Freitag, 29. April, ab 15 Uhr, im Münzenbergsaal im ND-Gebäude (Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin)
Am Freitag veranstaltet die Partei Die Linke unter dem Motto »Welche Aufgaben hat Die Linke? Für einen sozialen Aufbruch – gegen rechten Terror und Rassismus« eine Strategiekonferenz in Berlin. Welche Ziele verfolgen Sie damit kurz vor dem Bundesparteitag?
Wir müssen Konsequenzen aus den Niederlagen bei den Landtagswahlen im März ziehen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Strategie gescheitert ist, sich SPD und Grünen immer wieder wie saures Bier anzubieten. Vom Magdeburger Parteitag muss Ende Mai das Signal ausgehen: Die Linke ist eine wilde, entschlossene, radikale Partei. Wir müssen wieder Teil der sozialen Kämpfe werden und die Systemfrage stellen. Die oberen Zehntausend häufen immer mehr Vermögen an, gleichzeitig sind 13 Millionen Menschen in der BRD arm, und die Tafeln haben Massenzulauf. Diese von den Regierungen der vergangenen Jahre zu verantwortende Entsolidarisierung geht einher mit rassistischer Stimmungsmache und brutalen rechten Angriffen bis hin zu terroristischen Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte. Diese Zusammenhänge müssen wir immer wieder aufzeigen.
Sie leiten bei der Tagung den Arbeitskreis »Soziale Frage und Antirassismus«. Sind die beiden Punkte vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsdebatten überhaupt noch getrennt voneinander zu betrachten?
Bei der Frage der Gegenwehr müssen wir beide Aspekte zusammenbringen. Breite antirassistische Bündnisse, die die soziale Frage ausblenden und auf eine Einheitsfront mit den neoliberalen Kriegsparteien setzen, werden nicht funktionieren. Ich verstehe nicht, wie man auf Angela Merkels Baumeistermotto »Wir schaffen das« reinfallen kann, während sie mit dem Pakt mit dem Terrorpaten Erdogan brutale Abschottungspolitik betreibt und soziale Integration hintertreibt. Es gibt zudem ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn man meint, gerade mit denjenigen, die für die Asylrechtsverschärfungen der letzten Jahre stehen, gemeinsam aufklärerische antirassistische Kampagnen durchführen zu können.
Vor welchen Herausforderungen sehen Sie die Partei Die Linke diesbezüglich?
Auch wenn jetzt mancher Schwenk etwas abrupt daherkommt, setzt sich zum Glück die Erkenntnis durch, dass eine Koalition mit SPD und Grünen ein völliges Hirngespinst ist – gerade vor dem Hintergrund ihrer Kriegsorientierung und ihrer Politik für die Reichen in Deutschland. Sie wollen ja nicht einmal mehr eine Vermögenssteuer ins Programm aufnehmen. Es reicht jetzt aber nicht, die rote Fahne zu hissen und »Revolution« zu rufen. Wir müssen ganz konkret den Kampf auf dem sozialen Feld stärker aufnehmen und gegen die superreichen Profiteure des Systems richten.
Die Meinungen zum Umgang mit der sozialchauvinistischen AfD gehen in Ihrer Partei auseinander. Welche Art der Auseinandersetzung empfehlen Sie?
Es ist ein gravierender Fehler, nicht um die Wähler kämpfen zu wollen, die bei der AfD ihr Kreuz gemacht haben. Sie ist eine rechtspopulistische Partei, die zum neoliberalen Block in Deutschland gehört. Das zeigt ihre laufende Programmdiskussion. Sie ist eben keine »Alternative«, weder für Rentner noch für Arbeiter, Angestellte und Arbeitslose. Sie will etwa die Arbeitslosen- und Unfallversicherung privatisieren. Geht es nach ihr, geht es den Reichen noch besser: Die AfD ist gegen eine Erbschafts- und Vermögenssteuer. Die Einkommenssteuer für die Spitzenverdiener will sie noch weiter absenken. Das ist ein Wohlfühlprogramm für Millionäre, nicht für die Masse der Bevölkerung. Das müssen wir viel stärker ins Zentrum der Kritik stellen.
Bündnisse mit SPD und Bündnis 90/Die Grünen lehnen Sie ab?
Bei der Frage gemeinsamer Bündnisse muss klar sein, dass es keinen Sozial- und Personalabbau und auch keine Auslandseinsätze der Bundeswehr geben darf. Sonst würden wir uns selbst unglaubwürdig machen. Das Negativbeispiel war die rot-rote Koalition in Berlin. Eine Linke als Regierungspartei im Wartestand wird im Herbst eine weitere Klatsche erhalten. Das gilt aber auch für die Zukunft in NRW. Mit SPD und Grünen in NRW in der derzeitigen Verfassung ist keine sozial-ökologische Wende zu schaffen. Für eine Verwaltung zunehmender Armut sollte Die Linke nicht zur Verfügung stehen. Eine SPD light braucht keiner.