Eine akademische Veranstaltung

Am heutigen Donnerstag tagt zum letzten Mal die von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) initiierte Deutsche Islamkonferenz. Man darf auf anerkennende Worte gefasst sein. Doch die Bilanz ist so umstritten, wie es schon die Einberufung des Gremiums war.

Sevim Dagdelen hält die Islamkonferenz für »keine gelungene Veranstaltung«. Die migrationspolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag meint, eine gesellschaftliche Anerkennung von Menschen mit muslimischem Glauben habe von diesem Gremium nicht ausgehen können, weil es gar nicht darauf ausgerichtet war. Tatsächlich sind in der Konferenz neben Vertretern des Staates jene fünf großen Organisationen vertreten, die zwar im Namen der Gläubigen argumentieren, aber tatsächlich nur zehn bis 15 Prozent der Muslime in Deutschland vertreten.

Der Grünen-Integrationspolitiker Josef Winkler spricht von einem »Misserfolg«. Wie epd ihn zitierte, hält er es für einen Fehler, auch Islamkritiker an der Veranstaltung beteiligt zu haben. Denen sei es nicht um ein Ergebnis, sondern um politische Propaganda gegangen. Überdies hätten die Vertreter der Länder und Kommunen ihre Mission vor allem darin gesehen, zu verhindern, dass neue Kosten auf sie zukämen.

Dagegen sieht der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman A. Mazyek, nach drei Jahren Fortschritte bei der Anerkennung des Islam in Deutschland: »Wir sind bei der juristisch-faktischen Anerkennung nicht weitergekommen«, sagte Mazyek dem »Tagesspiegel«. »Bei der gefühlten Anerkennung allerdings schon.« Und Innenminister Schäuble meinte ebenfalls, das gegenseitig gewachsene Verständnis solle man nicht geringschätzen.

Als eine gefühlige Veranstaltung darf man sich die Islamkonferenz gleichwohl nicht vorstellen. Die Diskussionen seien oft kontrovers gewesen, räumte Schäuble gegenüber dpa ein. Ob die letzten drei Jahre einen messbaren Erfolg gebracht haben, wird er am heutigen Donnerstag öffentlich beurteilen. Auf der Internetseite der Islamkonferenz findet man die selbst auferlegte Zielstellung, Muslime in Deutschland sollten sich »als Teil der deutschen Gesellschaft verstehen und von dieser auch so verstanden werden«. Und weiter: »Das setzt voraus, dass Bürgerinnen und Bürger Deutschlands, welcher Abstammung und welchen Glaubens sie auch sind, mehr übereinander erfahren, mehr Verständnis und Akzeptanz füreinander gewinnen.« Mit dieser Aufgabe hat die Islamkonferenz ein anmaßendes Ziel formuliert.

Wenn es ein greifbares Ergebnis der Islamkonferenz gibt, ist es eine Studie, die sie in Auftrag gegeben hat. Sie wird heute ebenfalls vorgestellt. Der Untersuchung zufolge übertrifft die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime bisherige offizielle Angaben erheblich – statt der vermuteten drei bis 3,5 Millionen sind es bis zu 4,3 Millionen Menschen, die sich zum Islam bekennen. Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von fünf Prozent.

Gläubige Muslime stehen seit Beginn des »Kampfes gegen den internationalen Terrorismus« zunehmend unter einem Generalverdacht. Die seither eingeführten Fragebögen, in denen einbürgerungswillige Muslime einen Gesinnungstest ablegen müssen, um ihre »Staatstauglichkeit« zu beweisen, sind nur eines von vielen Beispielen hierfür. Politik und Mehrheitsgesellschaft bilden dabei eine gemeinsame Front der Ablehnung.

Dagegen rechnet sich die Konferenz als Erfolg an, dass man einen gemeinsamen Wertekonsens ausgearbeitet habe. »Integration … verlangt Zuwanderern dabei ein höheres Maß an Anpassung ab, insbesondere an die auf Recht, Geschichte und Kultur Deutschlands beruhenden Orientierungen der Aufnahmegesellschaft.« Dies lässt eine akademische Veranstaltung vermuten – unter Ägide des Ministers. Seine Studie offenbart hierzu einen interessanten Fakt: Obwohl sich die Muslime überdurchschnittlich stark (71 Prozent der Befragten) mit Deutschland identifizieren, sind sich 45 Prozent der Bundesbürger sicher, dass ihre muslimischen Mitbürger Deutschland nicht loyal gegenüberstehen. »Integration von Menschen mit oder ohne Religion muss in der Gesellschaft stattfinden, nicht am Grünen Tisch von Wolfgang Schäuble«, sagt Sevim Dagdelen.

Für Minister Schäuble handverlesen

Das Plenum setzt sich aus 30 Teilnehmern zusammen – 15 aus Bund, Ländern und Kommunen repräsentieren den Staat, 15 die Muslime in Deutschland.

* Einige Mitglieder wirken auch in den beratenden Gremien der DIK mit, den drei Arbeitsgruppen und dem Gesprächskreis. In den beratenden Gremien sind außerdem etwa 100 weitere Fachleute und Wissenschaftler vertreten
* Etwa 10 bis 15 Prozent der Muslime in Deutschland sind in den fünf bundesweit aktiven islamischen Dachverbänden organisiert. Die fünf Dachverbände sind mit je einem Vertreter im Plenum der DIK vertreten. Die anderen zehn Mitglieder stammen aus Bereichen des öffentlichen muslimischen Lebens.
* Die Teilnahme von islamkritischen Persönlichkeiten wie Frauenrechtlerin Necla Kelek sorgte für Verstimmung.
* Auch unter muslimischen Vertretern ist die Rolle der Verbände umstritten. Im März war bekannt geworden, dass gegen ein Mitglied des Gesprächskreises zu Sicherheit und Islamismus, den Generalsekretär der Organisation Milli Görüs, Oguz Ücüncü, ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung läuft. Ücüncüs Teilnahme ruht seitdem.