Eine nicht gehaltene Rede – Einbürgerungen erleichtern, Ausgrenzung beenden!

Sehr geehrter Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

In Deutschland gilt: Wer als Deutsche oder Deutscher mit zugleich türkischer Staatsangehörigkeit geboren wurde, muss als Erwachsener optieren. Wer als Türkin oder Türke geboren wurde, kann sich dagegen mit 14 Jahren unter Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit einbürgern lassen.
Das hört sich nicht nur absurd an – das ist es auch!

Nach türkischem Recht kann nur ein volljähriger türkischer Staatsangehöriger die türkische Staatsangehörigkeit ablegen. Dies würde für eine Person mit 14 Jahren aber bedeuten, dass sie noch Jahre warten muss, bis sie deutsche Staatsangehörige werden kann. Das sei aber nicht zumutbar. So ein Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 21.09.2009.

Diese Absurdität geht auf die im Staatsangehörigkeitsgesetz von 1999 verankerte so genannte Optionspflicht zurück. Ein Problem, dass im Übrigen die beiden antragstellenden Fraktionen, SPD und Grüne, in ihrer Regierungszeit verursacht haben. Das sage ich vor allem deshalb, weil die Grünen in ihrem Gesetzentwurf mal wieder das Hohelied auf die Errungenschaften der rot-grünen Bundesregierung singen.
Das meine Damen und Herren der SPD und Grünen wird ihre Unglaubwürdigkeit in der Einbürgerungs- und Integrationspolitik nicht aufheben. Zumal sie von der SPD erst Ende 2008 den Antrag meiner Fraktion zur Abschaffung der Optionspflicht ebenso abgelehnt haben wie etwa ein halbes Jahr später einen entsprechenden Gesetzentwurf der Grünen. Sie fordern jetzt Dinge, die sie gerade eben noch in der Regierung mit der CDU/CSU zusammen beschlossen haben.

Dank Ihnen von der SPD werden die Einbürgerungszahlen für 2009 erneut zum Armutszeugnis ihrer jahrelangen Einbürgerungspolitik. Die Verschärfungen der letzten Jahre im Einbürgerungsrecht im Rahmen des EU-Richtlinienumsetzungsgesetzes und mit dem seit September 2008 geltenden Einbürgerungstest werden vermutlich einen weiteren Rückgang der Einbürgerungszahlen zur Folge haben – noch unter das Niveau des bisherigen Rekord-Tiefststandes im Jahr 2008. Das ist das Ergebnis einer Politik der systematischen Ausgrenzung!

DIE LINKE will diese Entwicklung umkehren!

Dafür reicht die Abschaffung der Optionspflicht bei Weitem nicht aus.
DIE LINKE fordert deshalb einen Anspruch auf Einbürgerung unabhängig vom Einkommen oder dem sozialen Status der Betroffenen nach fünfjährigem Aufenthalt. Wir wollen, dass die Fähigkeit zur einfachen mündlichen Verständigung in der deutschen Sprache für die Einbürgerung ausreicht.
DIE LINKE fordert auch, dass die Einbürgerungsgebühren auf einen symbolischen Betrag gesenkt werden und dass Mehrfachstaatsbürgerschaften grundsätzlich zugelassen werden.

Einbürgerungstests, Regelanfragen beim Verfassungsschutz und die durch einzelne Bundesländer durchgeführten Befragungen von Einbürgerungswilligen zu ihrer Mitgliedschaft bzw. Unterstützung angeblich extremistischer Organisationen gehören abgeschafft.
Es ist ein Skandal, wie die Einbürgerung zum politischen Gesinnungstest für viele Menschen geworden ist. Erst vor wenigen Tagen haben wir dies bitter vor Augen geführt bekommen, als Jannine Menger-Hamilton, der Pressesprecherin der Linksfraktion im Kieler Landtag, aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der LINKEN die Einbürgerung verweigert wurde.
DIE LINKE fordert die Bundesregierung und insbesondere den Bundesinnenminster dazu auf, unverzüglich einzuschreiten, um die Einbürgerungen nicht nach Gutsherrenart zu tolerieren.
Angesichts solcher Fälle erinnert sich der Flüchtlingsrat in Niedersachsen nicht unberechtigt an den »Radikalenerlass« wie in den 70er Jahren.