Endlich eine wirksamen Kontrolle der GASP ermöglichen
In Bezug auf die europäische Außenpolitik gilt den deutschen Regierungen die Geheimhaltung als ein Vorzeichen des Erfolges, die Herstellung einer kritischen Öffentlichkeit dagegen als ein Vorzeichen des Verderbens. So schmücken sich die politischen Eliten in Europa gerne mit dem „Volkswillen", wenn es ihren Interessen entspricht, und empfinden bürgerliches Engagement als unverträglich mit der Demokratie, wo sie als herrschende politische Klasse in Frage gestellt werden.
Es überrascht mich nicht, wie in diesem Haus die etablierten Parteien von CDU/CSU und FDP über die SPD bis hin zu Bündnis 90/Die Grünen mit dem Kernthema der Europäischen Union, der europäischen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) umgehen.
Woher kommt Ihre Angst vor den kritischen Blicken der Öffentlichkeit und einer Kontrolle der bisherigen Arkanpolitik in außenpolitischen Fragen? Meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, ich frage Sie: Worauf gründet die von Ihnen geteilte Notwendigkeit mit demokratischen Nebelbomben und inhaltsleeren Worthülsen die Struktur- und Demokratiedefizite des Lissaboner Vertrages im Bereich der GASP gemeinsam mit der Regierungskoalition beibehalten zu wollen?
Die Erklärung ist einfach: Die europäische Sicherheitspolitik nahm seit ihren modernen Anfängen eine bis heute nachwirkende Sonderentwicklung als rein intergouvernementale Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten ein. Sie steht als Eindämmung konkurrierender und als gefährlich empfundener alternativer Gesellschaftsvorstellungen für die Restauration im Innern Europas. Nach Außen begründet sie dagegen die militärische Komponente zur Durchsetzung ihrer wirtschaftspolitischen Interessen. An diesem Zustand wollen Sie, meine Damen und Herren, nichts ändern, was auch die Anträge der SPD und der Grünen nicht anders als der CDU/CSU und FDP Fraktionen beweisen.
Die derzeitige rechtliche Form der GASP/GSVP ist geschaffen worden, um die politische Verantwortung zu verschleiern und dabei ohne die Notwendigkeit einer innerstaatlichen Umsetzung im Einklang mit nationalem Recht die Mitgliedstaaten dennoch zu binden. Im Unterschied zum Gemeinschaftsrecht besteht auch keine gerichtliche Überprüfungsinstanz, da sich die Zuständigkeit des EuGH nicht auf Fragen der GASP/GSVP erstreckt. Die Mitgliedstaaten haben auch keine Zuständigkeit des IGH hierfür anerkannt. Diese Immunität ist kein Zufall, sondern Leitmotiv, um eine weitestgehende Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten, die Vertragsbestimmungen nach Gusto interpretieren zu können ohne dabei ein Verfahren befürchten zu müssen.
Der von der Linksfraktion als erster in den Deutschen Bundestag Anfang April eingebrachte Antrag zur wirksamen Kontrolle der GASP und GSVP hat die Heilige Allianz des Stillschweigens über die GASP aufgescheucht und sichtbar ins Unbehagen gestürzt. Widersprüche zwischen basisdemokratischen Lippenbekenntnissen und dem Unwillen eine effektive Kontrolle der Auslandseinsätze, der Kriegstreiberei und der Militarisierung der EU zu gewährleisten, traten unmissverständlich an die Oberfläche. Es ist kein Zufall, dass die SPD in ihrem Antrag explizit „die Entsendung, Finanzierung und Mandatierung bzw. Strukturierung militärischer Operationen" von der parlamentarischen Kontrolle ausnehmen will. Was bleibt denn dann noch übrig, was kontrolliert werden könnte? Nicht anders die Grünen: alles soll beim alten bleiben, es soll lediglich ein zusätzlicher Escort-Service zur Konferenz der Europa-Ausschüsse (COSAC) eingerichtet werden.
Meine Kolleginnen und Kollegen in der Grünen-Fraktion wissen natürlich, dass diese gemäß ihrer Geschäftsordnung lediglich zum Zwecke regelmäßigen Meinungsaustausch eingerichtet wurde und nicht einer effektiven Kontrolle dienen soll.
Es ist irritierend. Während Sie, meine Damen und Herren, in Ihren Anträgen zur GASP ein Hohelied auf den Parlamentarismus in der EU anstimmen, haben Sie – aus Sicht der Linksfraktion in skandalöser Weise –alles unternommen, um eine Beschäftigung mit der parlamentarischen Kontrolle von GASP und GSVP von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Statt eine möglichst breite Debatte über die zukünftige Ausrichtung der europäischen Sicherheitspolitik im Bundestag zu erreichten, überwiesen die Grünen und die SPD ihre sehr wichtigen Vorschläge zur Einrichtung einer „parlamentarischen Begleitung der GASP" im vereinfachten Verfahren, also ohne Debatte, an die Ausschüsse, damit diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen können.
Heute haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und FDP sowie SPD und Bündnis90/Die Grünen, dem Vorgang noch eins drauf gesetzt, insofern sie der GASP so großes Gewicht beimessen, dass Sie zunächst eine Debatte nach Mitternacht anberaumten, vermutlich um eine möglichst breite Öffentlichkeit herzustellen, und sich schließlich einigten, das Thema als Protokollnotiz in den Drucksachen-Archiven zu begraben.
Eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, meine Damen und Herren von der SPD und den Grünen, Ihnen fällt von sich aus zum Thema Kontrolle der GASP nicht viel ein, wohl deshalb haben Sie stichpunktartig von unserem Antrag abzuschreiben versucht, jedoch vergessen, dass unsere Forderung zur Einrichtung einer Interparlamentarischen Versammlung nicht im luftleeren Raum steht, sondern erst dann eine effektive Kontrollinstanz wird, wenn sie mit konkreten Befugnissen ausgestattet wird.
Meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen, Sie wissen ganz genau, dass die bestehenden EU-Verträge keine Kontrollrechte für das Europäische Parlament in Bezug auf die GASP vorsehen. In diesem Bereich können die einzelstaatlichen Parlamente auch nicht mitreden. Wohl in Kenntnis dieser Tatsache fordert die SPD in ihrem Antrag die „Nutzbarmachung der Möglichkeiten des Europäischen Parlaments für die nationalen Parlamentarier". Nur welche? Sie wissen besser als ich, dass sich der Einfluss des Europäischen Parlaments auf die GASP in der Zustimmung zur Ernennung des Hohen Vertreters und einer einmal im Jahr ggf. stattfindenden Aussprache über Anfragen und Empfehlungen an den Rat erschöpfen.
Was die vorliegenden Anträge angeht, setzten die Koalitionsfraktionen wie auch Grüne und SPD leider ihren europapolitischen Grundfehler, die Zustimmung zum Vertrag von Lissabon, fort. Während sich ja im ökonomischen Bereich mittlerweile die Erkenntnis durchsetzt – EZB-Präsident Trichet ist da nur das jüngste Beispiel – dass der Vertrag von Lissabon einfach nur großer Mist ist, sind Sie im Bereich der GASP und GSVP leider noch nicht so weit.
Obwohl ich sagen muss, alleine ihre Anträge weisen ja daraufhin, dass auch nach ihrer Auffassung mit dem Vertrag von Lissabon in diesen Bereichen große Demokratiedefizite bestehen bleiben, wollen sie dennoch eine Lösung des Problems nicht ernsthaft angehen. Deshalb werden wir auch ihre Anträge alle ablehnen. Denn um eine wirksame parlamentarische Kontrolle zu gewährleisten, brauchen wir schlicht und ergreifend eine Komplettrevision der europäischen Verträge. Und ich hoffe, dass Sie dies baldmöglichst erkennen und sich nicht auf ewig diesen notwendigen Vertragsänderungen verschließen werden.