EU-Kommission hält Regelung zum Ehegattennachzug für europarechtswidrig
„Nach Auffassung der EU-Kommission ist die Regelung der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug unvereinbar mit der Familienzusammenführungsrichtlinie der EU. Erneut kommt die Bundesregierung damit in arge Erklärungsnot", kommentiert die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE., Sevim Dagdelen, eine schriftliche Erklärung der EU-Kommission vom 4. Mai 2011 an den Europäischen Gerichtshof, der von einem niederländischen Gericht um ein Urteil zur Auslegung der Familienzusammenführungsrichtlinie ersucht worden war. Zu dem Schreiben, das sie aus dem Niederländischen ins Deutsche übersetzen ließ, erklärt Dagdelen weiter:
„Die Erklärung der EU-Kommission widerspricht eindeutig den Behauptungen der Bundesregierung, die Regelung der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug stünde im Einklang mit EU-Recht. Integrationsanforderungen und Sprachtests dürfen nach Auffassung der Kommission dem Ziel einer erfolgreichen Familienzusammenführung nicht entgegenstehen. Sie dürfen weder als Ausschlusskriterium oder Einreisebedingung fungieren, noch zur Ablehnung des Familiennachzugs führen. Dies ist jedoch bei der deutschen Regelung der Fall. Sie überantwortet die Verpflichtung zum Spracherwerb ausschließlich den Betroffenen, unabhängig vom Kosten- und Zeitaufwand oder den jeweiligen Einzelfallumständen. Vielfach wird dadurch der Ehegattennachzug erschwert, verzögert oder sogar ganz verhindert.
Die Bundesregierung kann sich nun auch nicht mehr auf eine Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom März 2010 berufen. Denn das Gericht hatte seine Auffassung, die Verschärfung des Ehegattennachzugs sei europarechtskonform, unzulässigerweise mit einer vermeintlich gleichlautenden Einschätzung der EU-Kommission begründet – was nunmehr als offenkundig unhaltbar bezeichnet werden muss.
Ich fordere die Bundesregierung dazu auf, nicht darauf zu warten, dass der Europäische Gerichtshof die deutsche Regelung für europarechts- und menschenrechtswidrig erklärt. Die Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug müssen schnellstmöglich zurückgenommen werden. Für türkische Staatsangehörige sind sie wegen des Verstoßes gegen die so genannten Standstill-Klauseln im EWG-Türkei-Assoziationsrecht ohnehin nicht anwendbar, wie jüngst der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages bestätigt hat."