EU-Kommission kritisiert europarechtswidrige Politik der Bundesregierung gegenüber Türken
„Aus einer jetzt bekannt gewordenen Stellungnahme der EU-Kommission an den Europäischen Gerichtshof geht hervor, dass zahlreiche aufenthaltsrechtliche Verschärfungen der letzten Jahre auf türkische Staatsangehörige nicht anwendbar sind. Sie verstoßen klar gegen EU-Recht. Die Bundesregierung muss danach ihre jahrzehntelange Hinhalte- und Verweigerungspolitik in Bezug auf die Rechte türkischer Staatsangehöriger aufgeben und beispielsweise die Anforderungen von Sprachnachweisen im Ausland als Voraussetzung des Ehegattennachzugs zurücknehmen", kommentiert Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE., die Stellungnahme der EU-Kommission an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 29. Juli 2011 in dem Verfahren C-256/11 (Dereci u.a.), das nun bekannt wurde. Dagdelen weiter:
„Es ist pure Heuchelei, wenn die Bundesregierung von Migrantinnen und Migranten ständig die Beachtung der Rechtsordnung einfordert, selbst aber europäisches Recht aus politischem Kalkül bewusst missachtet. Neben der Linksfraktion im Bundestag vertritt auch die Mehrheit der Fachwelt die Auffassung, dass wesentliche aufenthaltsrechtliche Verschärfungen der letzten Jahre gegen das so genannte Verschlechterungsverbot im EWG-Türkei-Assoziationsrecht verstoßen. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages stellte dies in einem Gutachten fest.
Dass nun auch die EU-Kommission der Rechtsauffassung der Bundesregierung widerspricht, wird sie nicht ignorieren können. Während die Bundesregierung bislang stets behauptete, der Familiennachzug sei vom Verschlechterungsverbot nicht erfasst, weil diese nur die Arbeitnehmerfreizügigkeit betreffe, stellt die EU-Kommission in ihrer Stellungnahme vom 29. Juli in Übereinstimmung mit der EuGH-Rechtsprechung klar: Bereits die Absicht, von dieser Freizügigkeit Gebrauch machen zu wollen, ist ausreichend, um das Verschlechterungsverbot wirksam werden zu lassen. Dies gilt ausdrücklich auch für neue Beschränkungen beim erstmaligen Zuzug türkischer Staatsangehöriger. Die seit 2007 geltende Beschränkung des Familiennachzugs durch die Einführung von Sprachnachweisen im Ausland ist damit eindeutig auf türkische Staatsangehörige nicht anwendbar – wie auch zahlreiche weitere Gesetzesverschärfungen.
Die Bundesregierung muss die populistische Ausgrenzung und Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten beenden und die Durchsetzung der Rechte von Migrantinnen und Migranten betreiben."