EU-Kommission nimmt Bundesregierung wegen Visa-Wartezeiten ins Visier
„Wenn die Bundesregierung die skandalösen Wartezeiten nicht sofort wirksam beendet, darf die EU-Kommission nicht zögern, ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik einzuleiten. In einem Schreiben an mich bestätigt die EU-Kommission die Rechtswidrigkeit überlanger Wartezeiten im Visumverfahren, wie sie in der deutschen Visumpraxis immer wieder vorkommen. Das ist ein Verstoß gegen den EU-Visakodex, der sofort ein Ende haben muss", fordert Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, angesichts eines an sie gerichteten Schreibens der EU-Kommission vom 9.9.2013. Dagdelen weiter:
"Die Kommission bestätigt, dass ‚systematische Wartezeiten von mehr als zwei Wochen, denen sämtliche Visumantragsteller im Laufe des Jahres oder in bestimmten Perioden des Jahres‘ ausgesetzt sind, einen Verstoß gegen EU-Recht darstellen und ‚nicht hinnehmbar‘ sind. Über inakzeptable Wartezeiten für einen Termin zur Vorsprache in deutschen Visastellen von bis zu elf Wochen hatte ich die EU-Kommission bereits im Sommer 2012 informiert. Diese betreibt seit Ende 2012 ein so genanntes EU-Pilot-Verfahren zur Aufklärung des Sachverhalts. Aber auch viele Beschwerden von EU-Bürgerinnen und -Bürgern sowie von visumpflichtigen Personen aus Drittstaaten haben die Kommission dazu bewogen‚ die rechtswidrige Visapraxis von insgesamt 13 EU-Mitgliedstaaten einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.
Die Kommission muss auch dem Versuch der Bundesregierung entgegentreten, die Wartezeiten durch den Einsatz externer Dienstleister zu reduzieren. In den meisten Hauptherkunftsländern können seit kürzerem Anträge über private Dienstleister eingereicht werden. Wegen der zusätzlichen Kosten für die Reisenden soll ein solches Verfahren laut Visakodex aber nur als ‚letztes Mittel‘ erfolgen – die Bundesregierung hingegen betreibt die Teil-Privatisierung des Visumverfahrens ohne Not und quasi aus Prinzip. Es ist ein Skandal, wenn auf offiziellen Internetseiten deutscher Auslandsvertretungen der Eindruck erweckt wird, Visaanträge müssten grundsätzlich über die privaten Dienstleister eingereicht werden und zugleich verschwiegen wird, dass nach EU-Recht eine kostenlose Antragstellung innerhalb von zwei Wochen in den Visastellen weiterhin immer möglich sein muss –wie auch die EU-Kommission noch einmal bestätigt.
Statt den Reisenden die Mehrkosten einer zweifelhaften Privatisierung aufzubürden, muss die Bundesregierung endlich die Auslandsvertretungen personell ausreichend ausstatten und die Visaerteilung vereinfachen – oder besser die Visumpflicht gleich ganz abschaffen."