Militärausbildung beenden – Eine politische Lösung in Somalia ermöglichen

In Somalia herrscht Bürgerkrieg. Die international anerkannte Übergangsregierung (Transitional Federal Government, TFG) wurde nach der US-gestützten Invasion durch Äthiopien im benachbarten Djibouti aus verschiedenen Warlords zusammengesetzt. In Wirklichkeit existiert diese Regierung gar nicht. Es handelt sich bei der TFG um einen Haufen zwielichtiger Persönlichkeiten, die internationale Hilfsgelder einstreichen, aber primär damit beschäftigt sind, sich gegenseitig zu bekämpfen – und zwar nicht so, wie das auch die deutsche Bundesregierung tut, sondern mit Maschinengewehren und Mörsergranaten. Ja selbst Kindersoldaten werden eingesetzt. Die Bundesregierung unterstützt diese korrupte Herrscherclique bedingungslos, weil diese es ihr erlaubt, in ihren Küstengewässern auf Piratenjagd zu gehen und deutsche Wirtschaftsinteressen abzusichern. Ganz im Sinne des ehemaligen Bundespräsidenten Köhler und des Verteidigungsministers zu Guttenberg.

In Somalia selbst hat diese Übergangsregierung keinerlei Legitimität. Sie übt nur formal Kontrolle über den Hafen und den unmittelbar daneben gelegenen Flughafen in Mogadischu aus. Und das mit Hilfe von über 7.000 Soldaten der AMISOM-Mission der Afrikanischen Union, die diesen Hafen halten und um die Kontrolle des benachbarten Regierungsviertels kämpfen. Bezahlt wird dieser Einsatz überwiegend von den USA und der EU, letztere entnimmt die Mittel hierfür aus dem Europäischen Entwicklungsfonds. Das heißt, dass deutsche Entwicklungshilfegelder so in einen Kampfeinsatz fließen, bei dem regelmäßig Kriegsverbrechen begangen werden. Bei den 5.000 bis 10.000 Soldaten, über die die TFG verfügen soll, handelt es sich um Milizen – darunter wie gesagt viele Kindersoldaten – die sich sporadisch gegenseitig bekämpfen. Die Angehörigen erhalten keinen Sold, sie leben oft von Plünderungen und Erpressungen. Auch die Soldaten der AMISOM erhalten oft verspätet und manchmal gar keinen Sold. Sie sind unmotiviert, haben sich im Hafen verschanzt und reagieren auf Angriffe mit dem willkürlichen Beschuss von Wohngebieten mit Mörsergranaten. Nahezu wöchentlich wird so der wichtigste Markt der Hauptstadt beschossen, jeweils mit Dutzenden Toten.

Das ist der Hintergrund, vor dem Bundesregierung und EU vor einem Jahr, am 15.2.2010, beschlossen haben, 2.000 Soldaten für die somalische Übergangsregierung auszubilden – mit einer eigens hierfür aufgestellten militärischen Mission der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), EU Training Mission for Somalia (EUTM). Die Ausbildung findet in Uganda statt. Und Uganda ist wohlweislich Konfliktpartei im somalischen Bürgerkrieg. So wurde der ugandische Truppenübungsplatz mit EU-Geldern massiv ausgebaut. Parallel hierzu bilden im selben Feldlager auch die ugandischen Streitkräfte somalische Rekruten aus, die anschließend ebenfalls im Rahmen von EUTM fortgebildet werden sollen.

Die Bundeswehr ist mit bis zu 20 Soldaten vor Ort an der Ausbildung beteiligt, die u.a. den Kampf in bebautem Gelände umfasst. Auf Videos ist zu sehen, wie somalische Rekruten unter Anleitung europäischer Soldaten Häuser stürmen und das Schießen lernen. Bis heute konnte die Bundesregierung letztlich nicht ausschließen, dass dabei auch Minderjährige zu Soldaten gemacht werden. Erst vor zwei Wochen hat Staatsminister Hoyer hier eingeräumt, dass bezüglich des Alters „immer eine gewisse Restunsicherheit" bliebe und „man Fragen dieser Art [bisweilen] nach Augenschein entscheiden" müsse. Die Verantwortung für die Auswahl der Rekruten wird von der Bundesregierung auf die USA abgeschoben, welche die jungen Somalier nach Uganda fliegen und auf die AMISOM und die Übergangsregierung, welche für die Auswahl zuständig ist.

Das sind die Fakten der EUTM Somalia.

Diese Vorgänge sind so bodenlos, so empörend, dass sie kaum in Worte zu fassen sind. Die Bundeswehr steckt mittendrin im schmutzigen Bürgerkrieg in Somalia. Man müsse die „Realitäten ‚on the ground’" zur Kenntnis nehmen, wurde dem Bundestag hier vor zwei Wochen von Staatsminister Hoyer vorgehalten und gemeint war damit, sich diesen anpassen. Er hatte dies gesagt, nachdem er eingestehen musste, dass die Bundesregierung auch in Äthiopien die Ausbildung Minderjähriger zu Soldaten finanziert hat und dass diese nun irgendwo im somalisch-äthiopischen Grenzgebiet ohne Sold aber mit Waffen unterwegs sind.

Damit entpuppt sich wieder einmal all das Gerede von Werten, Demokratie und Menschenrechten in der Außenpolitik als leeres Geschwätz – wie auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz, wo man hinsichtlich Ägyptens deutlich machte, dass Stabilität vor Demokratie geht. Doch die 2.000 Soldaten, die in Bihanga ausgebildet werden sollen, werden nicht einmal einen Beitrag zur Stabilität leisten. Sie werden einfach eine weitere marodierende Miliz werden oder zu den Aufständischen überlaufen – finanziert und ausgebildet mit Hilfe der deutschen Bundesregierung. Bis zu 60.000 Soldaten soll Äthiopien in Somalia stationiert gehabt haben und alles, was sie erreicht haben, war eine weitere Destabilisierung des Landes. Das ganze Piraterieproblem, das jetzt ebenfalls militärisch bekämpft wird, ist erst mit dieser Invasion entstanden.

Wir sehen hier auch die Konsequenzen einer „Armee im Einsatz". Es gibt keine sauberen und demokratischen Kriege und keine „Menschenrechtskrieger". Wir sehen in Afghanistan, wie der Krieg die Menschen verroht, wie Bundeswehrsoldaten mit Totenköpfen spielen, mit der Waffe posieren und sich gegenseitig bedrohen. Wir sehen in Somalia und Uganda, wie Kriegsverbrecher unterstützt, Rekruten gequält und Kindersoldaten rekrutiert werden. Prinzipien wie „Innere Führung" und die demokratische Kontrolle der Streitkräfte verkommen bei einer „Armee im Einsatz" zur Makulatur.

Obwohl die Bundeswehrsoldaten bei diesem Ausbildungseinsatz bewaffnet sind, wurden sie ohne eine Befassung und Abstimmung des Bundestages nach Uganda geschickt. Wir sehen hier, wie die demokratische Kontrolle der Bundeswehr über den Umweg der EU aus dem Weg geräumt wurde. Ich halte es für keinen Zufall, dass gerade bei diesem Einsatz, der ohne Beteiligung des Bundestages zustande kam, alles schief läuft. Dieser Antrag ermöglicht uns, die Notbremse zu ziehen, die Bundeswehr aus Uganda abzuziehen und jede weitere finanzielle Beteiligung an der Mission zu verweigern. Der Zeitpunkt ist günstig, denn die Ausbildung der ersten 1.000 Soldaten ist gerade abgeschlossen. Sie wurde nun verlängert, weil es sich als schwierig erweist, weitere 1.000 Soldaten zu rekrutieren und weil völlig unklar ist, was mit den 1.000 bereits ausgebildeten passieren soll. Wir müssen endlich Schluss machen mit der Ausbildungs- und Ausstattungshilfe für Kriegsverbrecher und diktatorische Regime wie in Afghanistan, Ägypten und Somalia. Und wir müssen uns Gedanken machen, was wir mit den 1.000 Somaliern machen, die mit Versprechen vom großen Geld aus ihren Familien gerissen, nach Uganda geflogen und dort in ein Militärcamp gesperrt wurden, um sie zu Soldaten zu machen. Das Mindeste, was die deutsche Bundesregierung tun muss, ist sich bei diesen Somaliern zu entschuldigen. Die deutsche Außenpolitik muss sich an Rechtstaatlichkeit, Sozialstaatlichkeit und Völkerrecht orientieren. Deshalb muss die EUTM Somalia unverzüglich beendet werden.