Falsche Adresse

Von der Leyen im Nordirak

Sevim Dagdelen

Ursula von der Leyen ist im großen PR-Krieg unterwegs. Im Irak simuliert die deutsche Verteidigungsministerin Erfolge im Kampf gegen die Terrormiliz »Islamischer Staat« (IS). Bei ihren Besuchen in Bagdad und Erbil ist die Wehrchefin geradezu euphorisch. Der IS sei »empfindlich geschlagen« und zurückgedrängt auf Mossul. Und wer hat’s nach Meinung der Ministerin geschafft? Kurdische Peschmerga, die von der Bundeswehr seit Januar 2015 geschult werden, mit Kriegsgerät made in Germany. Die Truppen der örtlichen Clans haben in großem Umfang Waffen aus deutschen Beständen erhalten, darunter 1.200 Panzerabwehrraketen vom Typ »Milan«, 400 Panzerfäuste, mehr als 20.000 Sturmgewehre und mehrere Millionen Schuss Munition. Tatsächlich wurde mit der Waffenlieferung an der Gewaltspirale im Nahen Osten gedreht. Wie viele dieser Kriegsgeschenke mittlerweile auf der anderen Seite bei den Gotteskriegern gelandet sind, kann die Bundesregierung auf Nachfrage nicht sagen.

Wenn die Bundesregierung tatsächlich einen »empfindlichen« Beitrag beim Zurückdrängen des IS leisten will, dann muss sie den Gewaltislamisten den Geldhahn abdrehen und dafür sorgen, dass sie keine Bankgeschäfte mehr tätigen können. Und die Verteidigungsministerin sollte nicht freudestrahlend zur Truppenschau in den Irak fliegen, sondern muss mit ihren Waffenbrüdern in der Türkei endlich Klartext reden. Es ist geradezu absurd, dass das NATO-Mitglied seine Grenze zum IS-kontrollierten Gebiet in Syrien noch immer nicht geschlossen hat und die Bundesregierung dazu schweigt. Während die Bundeswehr Peschmerga trainiert, hat Berlins Premiumpartner Recep Tayyip Erdogan sein Land in ein Naherholungs- und Aufmarschgebiet für militante Dschihadisten verwandelt. Die Türkei ist mittlerweile »zentrale Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen«, wie die Bundesregierung selbst einräumt.

Die Bundeswehr bildet im Nordirak Kurden im Kampf gegen den IS aus, Erdogans Truppe bombt Kurden, die in Nordsyrien tapfer und effektiv gegen den IS kämpfen, zusammen. Ankara macht den Islamisten den Weg frei. Nicht anders ist der Krieg gegen die kurdischen Volksverteidigungskräfte YPG zu verstehen. Es ist nicht auszuschließen, wenn nicht gar zu vermuten, dass Aufklärungs- und Zieldaten dafür aus den »Tornado«-Einsätzen der Bundeswehr stammen.

Wenn die Bundesregierung den IS wirklich »empfindlich schlagen« will, dann muss sie beim Türkei-Einsatz die Reißleine ziehen. Mit Terrorpaten darf es keine Kooperation mehr geben. Ursula von der Leyen und ihre Kabinettskollegen müssen davon absehen, eine Flugverbotszone in Syrien zu errichten. Der ursprünglich von Erdogan vorgebrachte Vorstoß bedeutet am Ende: freie Fahrt für die Pick-ups des IS.

Sevim Dagdelen ist Sprecherin für internationale Beziehungen der Fraktion Die Linke im Bundestag

Quelle: junge welt

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