Feier für die neuen Deutschen

Unbefangen geht Shaktisena Kethiri auf die Kanzlerin zu. Die Sechsjährige mit dem rotweißen Stirnreif lächelt, als sich Angela Merkel zu ihr herabbeugt und ihr eine Urkunde überreicht. Zwar weiß die Kleine nicht so richtig, was sie mit dem Papier anfangen soll, und will es ihrem Bruder geben. Aber dann behält sie die Urkunde lieber selbst in der Hand. Shaktisena weiß: Nun ist sie Deutsche. Ebenso wie ihr Vater Raghava Reddy Kethiri und ihr zehnjähriger Bruder Shashruth, die neben ihr stehen.

Die Familie Kethiri gehörte zu den 16 Migranten, denen Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern die Einbürgerungsurkunden verlieh. Erstmals fand eine solche Einbürgerungsfeier im Bundeskanzleramt statt, in einem Rahmen, den die große Koalition mit den Einbürgerungsfeiern geschaffen hat. Die Nationalhymne wurde gesungen, jeder der 16 Einzubürgernden legte ein Bekenntnis ab: „Ich erkläre feierlich, das ich das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland achten und alles unterlassen werde, was ihr schaden könnte."

Vom Grundgesetz und vom ebenfalls in diesem Jahr zu feiernden 60-jährigen Bestehen der Bundesrepublik war an diesem Tag viel zu hören in den Reden, allerdings in unterschiedlichen Nuancen. Verbindend etwa bei der Integrationsbeauftragten Maria Böhmer: Die CDU-Politikerin erinnerte daran, dass „die Geschichte der Zuwanderung Teil unserer Geschichte" und die Bundesrepublik „unser gemeinsames Land" sei. Eher mahnend klang dagegen Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann, der Vorsitzende der Integrationsministerkonferenz. „Sie haben sich entschieden, mit allen Rechten und Pflichten Deutscher zu sein und einzutreten für die Grundrechte, für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität", ließ der CDU-Politiker die Feiernden wissen. „Sie können stolz auf ihre wirtschaftliche und soziale Integration zurückblicken."

Kanzlerin befürwortet Tests

Dieser Satz spiegelt die Auffassung der Union wider. Für die CDU/CSU ist Einbürgerung nicht Teil der Integration, sondern deren Abschluss. Deshalb hat sie in der großen Koalition schärfere Einbürgerungsregeln durchgesetzt. Dazu steht auch Bundeskanzlerin Merkel. Den Einbürgerungstest sieht sie nicht als Hürde an. Wenn 97 Prozent der Prüflinge ihn bestehen, könne er so schwer nicht sein, weist sie Kritik der Opposition zurück. Gestern unterstrich sie, dass die Einbürgerung nicht irgendein Schritt sei, bei dem auf einer Amtsstube eine Urkunde abgeholt werde.

Doch sagte Merkel auch Sätze, die in der Union nicht auf ungeteilten Beifall stoßen dürften. Sie sprach von der Integration, die „unser Land bereichert hat". Sie forderte die Migranten auf, sich aktiv anzubringen und „ruhig mal anzuecken", und sie sagte: „Sie können Vertrauen zu Ihrem Land haben." Ausdrücklich bedankte sich die Kanzlerin bei den Migranten dafür, Deutsche sein zu wollen und ihre eigene Staatsbürgerschaft abzulegen. „Wir sind froh über Ihre Entscheidung", sagte Merkel. Der Schritt sei eine Ermutigung für andere. „Wir möchten sehr wohl, dass mehr Menschen diesen Schritt der Einbürgerung gehen", betonte sie. Schon am Wochenende hatte sie in ihrer allwöchentlichen Videobotschaft für mehr Einbürgerungen geworben und war damit auf Abwehr in der eigenen Partei gestoßen.

Auch aus der Opposition hagelt es Kritik. Von billiger Symbolpolitik sprechen die Grünen. Sie verweisen darauf, dass die Zahl der Einbürgerungen inzwischen auf unter 100 000 gesunken ist. Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der Linken, wirft Merkel vor, sie fliehe vor der tristen Einbürgerungsrealität. „Wer in Deutschland seine Einbürgerungsurkunde ausgehändigt bekommt, müsste eigentlich gleich noch einen Orden dazu erhalten. Immerhin hat er oder sie sich weder von den neuen Hürden im Einbürgerungsrecht noch von der diskriminierenden Politik der Bundesregierung davon abhalten lassen, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben", kommentierte Dagdelen die getragene Feier im Bundeskanzleramt.