Festhalten an im Ausland zu erbringenden Sprachnachweisen als Voraussetzung für den Ehegattennachzug entgegen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs

Mit welcher Begründung hält die Bundesregierung gegebenenfalls an ihrer Auffassung fest, bei der Neuregelung der im Ausland zu erbringenden Sprachnachweise als Voraussetzung des Ehegattennachzugs handele es sich nicht um eine nach der sog. Standstill-Klausel des EWG-Türkei-Assoziationsrechts verbotene Verschlechterung, nachdem der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C-256/11 (Dereci) mit Urteil vom 15. November 2011 festgestellt hat, dass es „unstreitig" eine solche verbotene Verschärfung sei, wenn ein Antrag auf Aufenthaltsgewährung grundsätzlich vom Ausland aus gestellt und dort abgewartet werden muss (vgl. Rn. 95 f.), und inwieweit hat sich die Bundesregierung inzwischen mit der niederländischen Regierung zu den Gründen darüber ausgetauscht, dass diese von türkischen Staatsangehörigen keine Integrations- und Sprachnachweise im Ausland mehr verlangt?

Antwort des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche vom 10. April 2012

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bisher keine Entscheidung zur Vereinbarkeit von Sprachnachweisregelungen beim Familiennachzug mit dem Assoziationsrecht getroffen. Der EuGH hat sich auch in dem genannten Urteil zu dieser Frage nicht geäußert.

Die Bundesregierung sieht daher keinen Anlass für eine Überprüfung der gesetzlichen Regelung zum Sprachnachweis beim Ehegattennachzug. Vielmehr sieht die Bundesregierung diese Regelung weiterhin als integrationspolitisch sinnvoll an.

Auch das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 30. März 2010 (1 C 8.09) die deutsche Regelung zum Sprachnachweiserfordernis beim Ehegattennachzug unbeanstandet gelassen. Die deutsche Regelung ist unabhängig davon, inwieweit in den Niederlanden von türkischen Staatsangehörigen ein Sprachnachweis beim Ehegattennachzug verlangt wird.

Die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Dereci" werden in der Frage verkürzt wiedergegeben. In dem konkreten Fall geht es nicht um die Frage, ob der Sprachnachweis als Voraussetzung des Ehegattennachzugs zulässig ist. Die in der Rechtssache „Dereci" streitgegenständliche Pflicht, die Entscheidung über einen Antrag auf Aufenthaltsgewährung im Drittstaat abwarten zu müssen, ist nicht generell mit dem Assoziationsrecht unvereinbar. Sie wurde vom Europäischen Gerichtshof nur deshalb für mit dem Assoziationsrecht unvereinbar erklärt, weil sich der türkische Staatsangehörige bereits für einen beschränkten Zeitraum auf dem Hoheitsgebiet Österreichs in einer ordnungsgemäßen Situation befunden hatte. Aus dem Urteil lässt sich aber keineswegs der allgemeine Grundsatz ableiten, dass es eine „verbotene Verschärfung sei, wenn ein Antrag auf Aufenthaltsgewährung grundsätzlich vom Ausland aus gestellt und dort abgewartet werden muss".