Freispruch kassiert

Der Prozeß um den Tod des afrikanischen Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle muß neu aufgerollt werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag entschieden. Der BGH hob den Freispruch des Landgerichts Dessau-Roßlau vom Dezember 2008 für einen Polizeibeamten auf, der am Todestag Dienstgruppenleiter im Dessauer Polizeirevier gewesen war. Die obersten Richter sahen Lücken in der Beweiswürdigung. Das Urteil fiel genau am fünften Todestag Jallohs. Der Asylbewerber aus Sierra Leone war am 7. Januar 2005 bei einem Brand in einer sogenannten Gewahrsamszelle an den Folgen eines Hitzeschocks gestorben. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Polizisten Körperletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Aus ihrer Sicht hatte er nicht schnell genug auf das Signal des Feuermelders in Jallohs Zelle reagiert. Nach Überzeugung des Landgerichts hatte Jalloh die Matratze, auf der er an Händen und Füßen gefesselt war, selbst mit einem Feuerzeug angezündet.

Dieser Sachverhalt sei jedoch »nur schwer nachvollziehbar«, sagte gestern die Vorsitzende Richterin des 4. Strafsenats des BGH, Ingeborg Tepperwien. Der Bundesgerichtshof vermisse Feststellungen dazu, ob und wie für Jalloh eine Brandlegung möglich gewesen sei. Insbesondere bleibe unklar, ob das vom Landgericht angenommene »Anschmoren« des Matratzenbezuges ohne Verbrennungen der Hand und ohne Schmerzenslaute möglich gewesen sei. Solche Schreie hätten den angeklagten 49jährigen Polizeihauptkommissar jedoch zu einem frühzeitigen Eingreifen veranlassen müssen. Es blieben zudem Unklarheiten bezüglich der für eine Rettung zur Verfügung stehenden Zeit, betonte Tepperwien. Das Landgericht habe nicht bedacht, daß der Rauchmelder bereits Minuten vor dem Entzünden der Schaumstoffüllung der Unterlage eventuell bereits dadurch ausgelöst wurde, daß zunächst der Matratzenbezug angeschmolzen wurde. Dann hätte der Dienstgruppenleiter aber möglicherweise den Tod Jallohs verhindern können, wenn er sofort nach dem Alarm Rettungsmaßnahmen eingeleitet hätte. Der BGH widersprach auch der Annahme, der Polizist habe sich »pflichtgemäß« verhalten. Die Bundesrichter wiesen darauf hin, daß er den Alarm zunächst »weggedrückt« und anschließend ein Telefongespräch mit seinem Vorgesetzten geführt hatte. Die Sache wurde nun zur Neuverhandlung an das Landgericht Magdeburg verwiesen.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat am Donnerstag erfreut auf den Spruch der Richter reagiert. Der Verein äußerte die Hoffnung auf späte Aufklärung und Gerechtigkeit und spricht von einem »Polizei- und Justizskandal großen Ausmaßes«. »Wer das Konglomerat aus Lügen und Vertuschungen erlebt hat, das das zweijährige Verfahren in der Vorinstanz beim Landgericht Dessau prägte, sieht die heutige Entscheidung mit Erleichterung«, so Pro Asyl. Ähnlich äußerte sich die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Sevim Dagdelen. »Die Verhandlung vor dem Landgericht Dessau-Roßlau war von Anfang an eine Farce und nicht auf Aufklärung aus«, erklärte sie. Nicht nur die Lügen, Widersprüchlichkeiten und Vertuschungen seitens der Dessauer Polizei hätten eine Aufklärung verhindert, auch das Landgericht Dessau-Roßlau kann sich einer Mitverantwortung nicht entziehen, so die Linke-Politikerin.