Frieden schaffen ohne Waffen

Frieden schaffen ohne Waffen

I. Zur Rolle der Friedenspolitik im Programm der Partei DIE LINKE.

Die Friedenspolitik im Programm für einen demokratischen Sozialismus muss im Zusammenhang mit dem restlichen Programm stehen. Friedenspolitik ist ein Querschnittsthema. Sie lässt sich nicht gesondert vom übrigen Programm behandeln. Die Positionen zur Wirtschaftspolitik, zur Demokratisierung und Zurückdrängung der Macht des Kapitals sind Schritte hin zu einer friedlicheren Gesellschaft und zu einer friedlicheren Weltordnung. Während die Beschreibungen der Auswüchse von Kapitalismus und Neoliberalismus in Deutschland und Europa zutreffend sind, bleibt deren Betrachtung im globalen Maßstab mangelhaft. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen Kapitalismus, militarisierter Außen- und Sicherheitspolitik, der hieraus entstehenden Armut, Ohnmacht und Perspektivlosigkeit und den daraus entstehenden Kriegen und Konflikten bleibt ausgeblendet.

„Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens." , schrieb Karl Marx im ersten Band des Kapitals im 19. Jahrhundert. Auch über 150 Jahre später stellt sich der Zusammenhang von Krieg und Kapitalismus ebenso dar. Nur dass die Legitimation von Kriegen heute mit „humanitären Interventionen" oder dem Kampf gegen den Terror propagandistisch bemäntelt wird. Die eigentlichen Gründe für die neuen Kriege sind im kapitalistischen System zu suchen. Mit der jetzigen Finanz- und Wirtschaftskrise drohen sich die Tendenzen für neue kriegerische Durchsetzung von Kapitalinteressen noch zu verschärfen. Denn dort wo die Armut am größten ist, brechen Konflikte aus und dort wird militärisches Krisenmanagement betrieben. Dort, wo die Großmächte Interessen –beispielsweise an Rohstoffen oder sicheren Handelswegen- verfolgen, versuchen sie in diese Konflikte zu intervenieren, etwa im Sudan oder Somalia, im Kaukasus oder Zentralasien. Dabei kommt es zu einer zunehmenden Konkurrenz zwischen den Großmächten. Das sozialistische Erbe der Arbeiterbewegung bewahrend, auf dessen Tradition DIE LINKE sich beruft, heißt den Zusammenhang zwischen Krieg und Kapitalismus so wie er darstellt zu verdeutlichen.

DIE LINKE. muss deshalb die ganze kapitalistische Sicherheitspolitik, die in diesem Rahmen stattfindet, ablehnen. Friedenspolitik darf kein kapitalistisches Krisenmanagement sein, sondern muss durch internationale Solidarität die Ursachen der Konflikte bekämpfen. Zentrum linker Friedenspolitik ist eine solidarische Politik der Überwindung von Armut, Unterentwicklung, Umweltzerstörung und Ausbeutung und Unterdrückung. Ziel ist der Sozialismus, der durch eine Vergesellschaftung des Finanzsektors und von zentralen Wirtschaftsbereichen, in Zukunft Kriege zur Durchsetzung von Kapitalinteressen verhindert.

II. Programmatische Grundlage der Partei DIE LINKE.

DIE LINKE. lehnt Kriege und Gewalt als Mittel der Politik ab. Das unterscheidet DIE LINKE. im Wesentlichen von allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien.

Im Programmentwurf heißt es: "Wir fordern ein sofortiges Ende aller Kampfeinsätze der Bundeswehr. Dazu gehören auch deutsche Beteiligungen an UN-mandatierten Militäreinsätzen nach Kapitel VII der UN-Charta." Und weiter: "Statt Aufrüstung, militärischer Auslandseinsätze und EU-NATO-Partnerschaft ist eine Umkehr zu einer friedlichen Außen- und Sicherheitspolitik notwendig, die sich strikt an das in der UN-Charta fixierte Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen hält."

Diese beiden Positionen bestätigen den Kern der bisherigen friedenspolitischen Grundlagen der LINKEN. Es ist aber sinnvoll einen Schritt weiter zu gehen. Eine deutsche Beteiligung an Kapitel VI-Einsätzen ist äußerst problematisch. Bis hinein in die 90er Jahre galt in der UN der ungeschriebene Grundsatz, dass sich Groß- und Mittelmächte sowie einflussreiche Mitglieder von Militärbündnissen nicht an sogenannten friedenserhaltenen Mission beteiligen sollten. Als zu groß wurde die Gefahr angesehen, dass eine Entsendung auch nur einer symbolischen Kontingentgröße dazu missbraucht würde, um eigene Interessen mit zu befördern und damit die Mission als Ganzes zu gefährden. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde diese Maxime leider ad acta gelegt. Insbesondere auf Drängen der USA aber auch Deutschlands. Ich denke, dass dieses ungeschriebene Gesetz weiterhin gelten sollte. Gerade angesichts der neuen Weltordnung. Sonst droht die UN immer mehr zum Spielball von Großmachtinteressen zu werden.

III. Reformprojekte für eine linke Friedenspolitik

1. Internationalistischer Weg zu Abrüstung

Rüstungswirtschaft und Rüstungsexport werden als Mittel der Interessendurchsetzung in Bündnissen oder zur imperialen Geopolitik eingesetzt. Krieg ist dabei die Krönung des Rüstungsgeschäfts. Deutschland ist mit 11 Prozent am Gesamtvolumen der drittgrößte Waffenexporteuer der Welt. Der Spruch der Friedensbewegung „Deutsche Waffen deutsches Geld morden mit in aller Welt" ist längst bittere Wahrheit. DIE LINKE. sollte nicht zulassen, dass mit ihrer Hilfe Menschen auf der Welt getötet werden. DIE LINKE. sollte alles unternehmen, damit Deutschland abrüstet bis hin zur strukturellen Angriffsunfähigkeit. Ansätze hierfür lassen sich im Programm finden, etwa die Forderung nach Schließung aller ausländischer Militärbasen, mit dem Abzug aller Atomwaffen und nach dem Stopp aller Rüstungsexporte (an anderer Stelle allerdings relativiert mit der Forderung eines „strikten Verbots von Waffenexporten in Krisengebiete". Ein generelles Waffenexportverbot, die Beendigung der Rüstungsproduktion durch Konversionsprogramme und schärfere Waffengesetze als inneres Friedensprojekt müssen in das Programm einer LINKEN.

Die zweite Komponente einer Internationalistischen Abrüstungspolitik besteht darin, dass DIE LINKE. weltweit diejenigen Bewegungen und die Regierungen unterstützt, die sich ihrerseits für die Abrüstung der eigenen Streitkräfte und die Schließung ausländischer Militärbasen einsetzen.

2. Strukturelle Nichtangriffsfähigkeit herstellen – Zurück zum Grundgesetz!

Aktuell wird die Bundeswehr in eine Interventionsarmee umgewandelt. Ziel der LINKEN muss ein Zurück zum Grundgesetz sein. Als ersten Schritt die Bundeswehr nur zur Landesverteidigung und dann gemäß dem Grundgesetz von 1949 abbauen. D.h. zuerst diejenigen Teile der Bundeswehr abrüsten, mit denen Krieg geführt werden kann und wird. Also: Auflösung der Kommandospezialkräfte, des Einsatzführungskommandos, des Gefechtsübungszentrums, der Division Spezialoperationen und aller Einsatzkräfte der Marine und Luftwaffe. Zentral ist die Beendigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr -insbesondere in Afghanistan.

3. Polizei- und Militärhilfe in Konfliktregionen ausschließen

Polizei- und Militärhilfe für Drittstaaten greift massiv in die Machtverhältnisse innerhalb dieser Gesellschaften ein. Entweder sie stärkt die Regierung gegen Proteste und Rebellionen oder sie stärkt Sezessionisten oder einzelne bewaffnete Machteliten. Polizei- und Militärhilfe entwickelt sich zunehmend zum zentralen Konzept für militärische Besatzungen, den Eingriff in Bürgerkriege von außen und damit zum Kernkonzept sicherheitspolitischen Krisenmanagements im Kontext einer neoliberalen Weltordnung. Sie entzieht sich demokratischer Kontrolle und birgt starke Tendenzen zur Privatisierung von Sicherheitspolitik. DIE LINKE. sollte dieses Konzept kategorisch ablehnen. Die jüngste Entscheidung des sozialdemokratischen Innenministers in Brandenburg, keine Polizisten mehr in den Krieg nach Afghanistan schicken zu wollen, ist wegweisend. Der Beschluss der Bundestagsfraktion zur UN-Resolution 1325 mit der Forderung: "Die Bundesregierung verzichtet auf jegliche Unterstützung – auch auf Ausstattungs- und Ausbildungshilfe – für Regime und Streitkräfte, welche Minderjährige als Soldaten in bewaffnete Konflikte entsenden, sich systematischer Menschenrechtsverletzungen oder systematischer sexualisierter Gewalt schuldig machen." ebenso. DIE LINKE. muss Polizei- und Militärhilfen in Konfliktgebieten ablehnen.

4. Völkerrecht stärken – Militarisierung der UN beenden

DIE LINKE ist Völkerrechtspartei. Gemäß dem Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen in der UN-Charta, muss das Völkerrecht und das ihm zugrunde liegende Souveränitätsprinzip bzw. das Prinzip der Nicht-Einmischung gestärkt werden. Die zunehmende Militarisierung der UN, die wir zu recht im Bundestagswahlproramm kritisieren, ist verbunden mit der Schwächung der zivilen Strukturen und führt zu einer weiteren Aushöhlung des Völkerrechts. Dieser Tendenz gilt es vorzubeugen. Die UN muss Hüterin des Völkerrechts und Sprachrohr der unterdrückten und weniger mächtigen Staaten werden und nicht wie bislang militärischer Dienstleister der Großmächte. Die UN muss garantieren, dass alle Staaten die gleichen Rechten und Pflichten haben und in Konflikten ggf. als neutraler Vermittler im Dienste des Weltfriedens auftreten.

Die Forderung nach eigenen Streitkräften der UN nach Kapitel VII, Artikel 43 ist so alt wie die UN selbst und angesichts der Interessensgegensätze und Kräfteverhältnisse innerhalb des Weltsicherheitsrates und der UN irreal. DIE LINKE. muss vielmehr die UN entmilitarisieren und ihre Unabhängigkeit und ihre zivilen Konfliktlösungsmechanismen stärken. Die Kooperationsvereinbarungen zwischen UN, EU und NATO laufen dem zuwider und müssen darum aufgekündigt werden.

5. NATO auflösen

Die NATO hat ihre Existenzberechtigung spätestens nach 1989 verloren und ist zu einem aggressiven Kriegsführungsbündnis geworden. Zu Recht wird sie in weiten Teilen der Welt als Bedrohung und Anlass für Aufrüstung wahrgenommen. Sie bedroht bis heute die gesamte Welt mit atomarer Vernichtung. Die NATO gehört aufgelöst. Als Schritt hierzu muss die EU jede Kooperation mit der NATO einstellen. So würde die EU nicht mehr in der Lage sein, sich an Angriffskriegen zu beteiligen. Zur Auflösung der NATO könnte ein Austritt Deutschlands aus den militärischen Strukturen der NATO beitragen.

Eine Ersetzung der NATO durch ein „kollektives Sicherheitssystem" wie es im Programm heißt, ist dagegen problematisch. Der Begriff nimmt Bezug auf sog. „Systeme kollektiver Sicherheit", als welches etwa die NATO selbst gilt. Laut BVerfGE kann die Bundeswehr allein im Rahmen solcher Systeme kollektiver Sicherheit in den Auslandseinsatz geschickt werden. Systeme kollektiver Sicherheit beinhalten also tendenziell die Legitimation von militärischer Gewalt nach außen und stets die militärische Befriedung nach Innen. DIE LINKE. sollte wenn überhaupt ein rein ziviles Sicherheitssystem mit gegenseitigen Sicherheitsgarantien unterstützen.

6. Für eine Neugründung der Europäische Union

Die Utopie einer sozialen, demokratischen und friedlichen Europäischen Union wird an vielen Stellen des Programms benannt. So heißt es u.a.: „Die Europäische Union ist unverzichtbares politisches Handlungsfeld für die Sicherung des Friedens in Europa, für wirtschaftliche Entwicklung in Europa und die Bewältigung von Wirtschaftskrisen, für die Wahrung der Interessen der Beschäftigten, für den sozial-ökologischen Umbau in Europa und für die Lösung der globalen Herausforderungen… Wir wollen eine andere, eine bessere EU!" Zugleich heißt es an anderer Stelle: „Die Europäische Union … entwickelte sich zunehmend zu einem Motor der neoliberalen Umgestaltung" und, dass die EU „die Durchsetzung der neoliberalen Grundfreiheiten des Marktes und der Unternehmen in den Mittelpunkt stellt, auf eine weitere Militarisierung setzt und Kapitalverkehrskontrollen untersagt.".

Die neoliberale Wirtschaftspolitik nach Innen wohnt der EU aber genau so inne, wie eine imperiale Interessenspolitik nach Außen, sie ist den EU-Verträgen eingeschrieben und steht im Interesse der EU-Eliten. Zu Recht hat DIE LINKE in ihrem Europawahlprogramm 2009 deshalb dem Lissabon-Vertrag eine klare Absage erteilt. Auch der jetzt veröffentlichte Programmentwurf positioniert sich in ähnlicher Weise, wenn gefordert wird, dass die bisherige Vertragsgrundlage der EU grundlegend geändert werden muss.

Eine soziale, demokratische und friedliche EU ist unter den aktuellen Bedingungen nicht möglich, sie würde die Revision sämtlicher Verträge und Außenbeziehungen sowie eine ganz andere Idee von Europa voraussetzen. DIE LINKE kann aber nicht warten, bis alle 27 Staaten von sozialistischen Regierungen geführt werden (es droht eher das Gegenteil), sondern muss Teil einer Bewegung für eine Neugründung der EU sein, um die Angriffe der EU auf Arbeitnehmer- und Menschenrechte, auf gesellschaftliches Eigentum weltweit abzuwehren und ihre weitere Militarisierung zu verhindern. Alles andere ist unrealistisch.

IV. Konsequent für Frieden

DIE LINKE. im Bundestag hat kürzlich einstimmig beschlossen: „Die Bundesregierung verzichtet auf die Anwendung militärischer Gewalt in internationalen Konflikten und Kriegen.". Eine solche Aufforderung an die Bundesregierung sollte meines Erachtens mindestens auch für die Partei DIE LINKE selbst gelten. Grundlage einer umfassenden Friedenspolitik nach Außen sowie nach Innen sollte, anlehnend an den Beschluss vom Cottbusser Parteitag, im Grundsatzprogramm ausgefeilter sein und heißen: DIE LINKE lehnt jegliche Bundeswehreinsätze im In- und Ausland ab. Dies muss sich als Haltelinie, d.h. in den Mindestbedingungen für die Regierungsbeteiligung im Bund wiederfinden. Die Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern lehren uns, dass die Friedensfrage eine für DIE LINKE existenzielle Frage ist: wenn wir nach der italienischen Tragödie nicht die deutsche Farce erleben wollen, braucht DIE LINKE in der Friedenspolitik diese Mindestbedingung für die Regierungsbeteiligung. Zudem kann und sollte DIE LINKE auch Kriegsbeteiligungen auf Ebene der Länder – etwa mit der Entsendung von Polizistinnen und Polizisten zur Flankierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr – eine Absage erteilen. Nur dann kann DIE LINKE. weiterhin überzeugend und glaubwürdig werben für das Projekt einer umfassenden friedenspolitischen Umgestaltung der Gesellschaft.