Für ein Ende der Blockade von Gaza!

Auf Anfrage des Demobündnisses (Palästinensische Gemeinde Deutschland, Bundesverband Deutsch-Arabischer Vereine, Deutsch-Palästinensische Freundschaftsverein, Paläst. Gemeinde zu Dortmund, AFD-Alliance for Freedom a. clignity, Paläst. Freundschaftsverein Wuppertal, DKP Düsseldorf, VVN-BdA Düsseldorf Türkei Zentrum e.V. Düsseldorf, DIDF-Düsseldorf, Die Linke Düsseldorf, Friedensforum Düsseldorf) hat MdB Sevim Dagdelen im Anschluss an die Demonstration im Rahmen des weltweiten Aktionstages gegen die Blockade von Gaza auf der Kundgebung gesprochen.
Im folgenden das Redemanuskript:

Liebe Freundinnen und Freunde,

liebe Anwesenden!

Genau heute auf den Tag genau vor 43 Jahren, am 5. Juni 1967, begann der sog. Sechs-Tage-Krieg Israels und die daraufhin einsetzende Besetzung palästinensischer Gebiete.

Ich begrüße euch heute, an dem weltweiten Aktionstag gegen die Blockade des Gazastreifens. Wir sind ein Teil von Millionen Menschen weltweit, die sich heute überall auf der Welt –auch in Israel!- mit den Palästinenserinnen Palästinensern solidarisieren und die Aufhebung der völkerrechtswidrigen Blockade fordern.

Angesichts der Falschinformationen und Spekulationen die besonders von Medien gestreut werden, die sich scheinbar nur einseitig durch das israelische Militär informieren lassen, möchte ich auszugsweise den Augenzeugenbericht meiner Kolleginnen, den Bundestagsabgeordneten Annette Groth und Inge Höger, und Norman Paech, vortragen. Diese Augenzeugen befanden sich zum Zeitpunkt des Angriffs der israelische Soldaten in internationalen Gewässern auf den internationalen Schiffskonvoi mit Hilfsgütern für den Gazastreifen auf dem Schiff „Mavi Marmara".

„Die Unruhe auf dem Schiff „Mavi Marmara" begann nach Aussage von Annette Groth, Inge Höger sowie Norman Paech am Sonntag-Abend gegen zirka 23 Uhr.

Orangefarbene Schwimmwesten seien angelegt worden – Hektik überall. „Ich dachte zuerst, es sei nur eine Übung", berichtet Norman Paech. Von Deck aus habe er nur die Schiffe der Gaza-Hilfsflotte gesehen. Doch dann habe er die Information erhalten, dass sich hinter dem Konvoi schon Kriegschiffe befinden würden. Eine Stunde lang sei ein ziemliches Hin- und Her auf den Decks gewesen, berichtet Paech, und dann habe es durch die Schifflautsprecher plötzlich geheißen: „Alles zurück in die Kabinen und unter Deck. Er und seine Begleiter hätten sich dann auch schlafen gelegt." Auch Annette Groth und Inge Höger legten sich schlafen.

Montag gegen zirka 4.30 Uhr: „Wir wurden geweckt durch enorme Detonationen, einige Passagiere vermuteten, dass Splittergranaten und Tränengasgranaten abgeworfen wurden. Granatenhülsen, die wir gefunden hatten wurden später vom israelischen Militär konfisziert. Wir haben dann Schüsse gehört, die unmittelbar darauf folgten", erinnert sich Norman Paech. Was dann geschah, schildert Paech so: „Es rannten Leute umher, die uns Zwiebeln gaben, damit wir etwas gegen das Tränengas haben. Wir sahen, wie Schlauchboote und Zodiacs um unser Schiff kurvten. Und dann war die Luft natürlich auch erfüllt von den Hubschraubern." Mein Kollege Nader al Sakka und ich konnten uns direkt vor dem Raum aufhalten, den die Passagiere als Lazarett eingerichtet hatten. Ich habe auch dort Aufnahmen gemacht, die Kamera ist mir abgenommen worden, leider ist kein Bildmaterial mehr da. Alles was wir gefilmt haben, hat die israelische Marine eingesteckt. Wir haben also keine Gegenbeweismittel. Die israelische Marine hat die absolute Bildhoheit über alles." Aber er beobachtete Folgendes: „Es wurden schwerverletzte Passagiere heruntergebracht. Ich habe auch einen gesehen, der später gestorben ist, im Vorraum wurde noch versucht, ihn wiederzubeleben, ihm wurden Infusionen gegeben", so Paech. Matthias Jochheim, ebenfalls Passagier der Flottille und selbst Arzt schätzt, dass mindestens 50 Passagiere erheblich verletzt wurden bei der Aktion. „Ich selbst habe vier Menschen gesehen, die verstorben waren, v.a. durch Schusswaffen. Von der israelischen Armee wurden nicht Gummigeschosse oder ähnliches eingesetzt, sondern wirklich tödliche Geschosse. Die darüber hinaus gehende Zahl der Toten habe ich nicht mit eigenen Augen gesehen, sie wurde aber glaubwürdig versichert." Wie Inge Höger berichtete, seien zudem mindestens 25 Passagiere vermisst worden.

Paech berichtete, dass anfangs auch drei israelische Soldaten in das provisorische Lazarett gebracht wurden, die keine Waffen mehr bei sich hatten: „Einer war leicht am Arm verletzt, bei den beiden anderen konnte man nicht erkennen, wie sie verletzt waren, jedenfalls haben sie nicht geblutet, schwere Verletzungen waren das nicht. Einer hatte wohl eine Kreislaufschwäche. Wenig später haben alle drei wieder das Lazarett verlassen."

Der Tumult habe etwa 40 Minuten gedauert, sagt Paech. Um 5.10 Uhr sei durch Lautsprecher bekanntgegeben worden: „Die Israelis haben das Schiff übernommen, es ist aus."

…………..

Zu der in den Medien heiß diskutierten Frage, ob die israelischen Soldaten von Besatzungsmitgliedern angegriffen worden seien, sagt Paech Folgendes:

„Wir waren über 500 Zivilisten, eine Delegation aus dreißig Nationen, darunter Personen des öffentlichen Lebens, Parlamentsabgeordnete, Friedensnobelpreisträgerinnen und Schriftsteller. Wir haben von Anfang an gesagt und auch unterschrieben: Wir wollen keine Gewalt, wir sind eine friedliche Mission und transportieren ausschließlich zivile Güter. Wir wollten auf die Abriegelung des Gazastreifens durch Israel und die seit Jahrzehnten von der internationalen Staatengemeinschaft tolerierte menschliche Tragödie aufmerksam machen. Wir wollten den eingeschlossenen Palästinensern und Palästinenserinnen Hoffnung geben. Wir hatten damit gerechnet, dass die Israelis unser Boot abdrängen, umleiten, aber nicht, dass das israelische Militär uns so brutal überfällt."

Weiter sagt Paech: „Es hieß, Passagiere haben versucht die Soldaten zu entwaffnen, als sie sich einzeln abgeseilt haben, dabei sind wohl Stöcke eingesetzt worden. Dagegen ist auch juristisch gar nichts zu sagen. Und das möchte ich nochmal betonen: Dies war ein absolut rechtswidriger Angriff auf eine friedliche Mission in internationalen Gewässern, gegen den man sich sogar mit den Mitteln, mit denen man angegriffen worden ist, hätte verteidigen können. Die türkische Marine hätte nach internationalem Recht sogar die Möglichkeit gehabt, ein Kriegsschiff zu entsenden, um diesem türkischen Schiff zu Hilfe zu eilen. Als wir später zurück in die Kabinen kamen, hatten israelische Soldaten alle Koffer aufgeschlitzt und alles durchwühlt, aber offensichtlich keinerlei Waffen gefunden. Von Selbstverteidigung der Israelis hier zu sprechen, ist wirklich ein Hohn. Die Blockade des Gazastreifens ist rechtswidrig. Sie wird von niemandem juristisch anerkannt, obwohl leider keine Regierung etwas dagegen macht. Das ist der Ausgangspunkt. Und jeder ist berechtigt, mit humanitären Gütern, so wie wir, zivil und gewaltfrei dort hinzufahren, er darf nicht davon abgehalten werden. Wenn das aber doch passiert, dann sind die im Unrecht, die das tun. Und das war hier nun ein ganz unverhältnismäßiger, grober Akt der Piraterie mit anschließender Entführung.

Nachdem die Israelis das Kommando übernommen hätten, seien er und seine Begleiter aufgefordert worden, sich auf ihre Plätze zu setzen und sich nicht zu bewegen. Norman Paech: „Die Bilder von Soldaten in Afghanistan und im Irak sind ja bekannt. So waren auch die israelischen Soldaten ausgerüstet: Maskiert, mit ungeheuren Gewehren und hochspezialisiertem militärischen Gerät". Einzelne Gefangene seien nach circa einer Stunde herausgerufen worden. „Dann wurden wir alle gefilzt, alles wurde weggenommen", sagt Paech. Alle Passagiere seien mit Kabelbindern an den Händen gefesselt worden. Nach einiger Zeit seien vor allem europäischen Passagieren die Fessel abgenommen oder gelockert worden. Die palästinensischen Passagiere und die türkische Besatzung blieben gefesselt. Nach einer Weile habe man ihn dann wohl wegen seines Alters bei den Frauen auf einer Bank niedersetzen lassen.

Annette Groth sagt: „…. Mir wurden auf dem Rücken mit Kabelbinder meine Hände gefesselt, ich durfte auf einer Bank Platz nehmen. Ca. 10 Min. später wurden die Kabelbinder durchschnitten. Zweimal habe ich den MP3-Player benutzt, hörte Musik, um mich zu abzulenken. Ein älterer Mann, gegenüber auf der Bank, wollte zum WC. Es wurde nicht erlaubt, er hat mehrmals darum gebeten. Ich habe das auch einem Soldaten gesagt, dass er den Mann doch gehen lassen soll. Antwort: No. Später hat der Mann in seine Hose uriniert. …"

Angesichts dieser Schilderungen ist es ein Skandal, dass BILD-Zeitung und Co. die Free-Gaza-Bewegung weiterhin versuchen zu kriminalisieren und zu diffamieren. Nicht diese Menschen haben wild um sich geschossen, sondern es waren die Eliteeinheiten des israelischen Militärs.

Dieser verbrecherischer Akt hat mindestens 9 Tote und dutzende Verletzte auf der Seite der Menschenrechtsaktivisten zu verantworten. Die Fakten sprechen für sich: das israelische Militär war der Agressor!

Dieser Angriff war nicht nur ein Angriff auf Leib und Leben der Solidaritätsaktivisten liebe Freundinnen und Freunde. Es war auch ein Angriff auf das humanitäre Ziel, lebenswichtige Versorgungsgüter wie Medikamente, Baustoffe und Geräte in den abgeriegelten Gazastreifen zu bringen, die die Notlage der Menschen im Gaza-Streifen lindern helfen sollten.

Nicht zuletzt deshalb ist Israel -wie selten zuvor- für dieses Massaker auf den aus sechs Schiffen bestehenden Hilfskonvoi für die Menschen im Gazastreifen einhellig in der Welt verurteilt worden. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen äußerte Dienstagfrüh sein tiefes Bedauern über den Verlust von Menschenleben und die Verletzten im Zuges des Einsatzes in internationalen Gewässern.

Auch unterstützte er die Forderung des Generalsekretärs nach einer umfassenden sowie raschen, unparteiischen, glaubwürdigen und transparenten Untersuchung nach internationalen Standards.

Das ist eine richtige und wichtige Forderung, die wir als Partei DIE LINKE unterstützen. Eine israelische Kommission mit Unterstützung ausländischer Beobachter wäre aber gleichbedeutend damit, den Bock zum Gärtner zu machen.

Auch DIE LINKE fordert eine unabhängige internationale Untersuchung. Doch wir fordern mehr:

Freie Fahrt für alle Schiffe und aktuell die „Rachel Corrie", die laut Nachrichtenlage auch vom israelischen Militär gekidnappt wird.

• die Beendigung der Blockade und der israelischen Besetzung der Westbank und Ostjerusalems.

sofortige Einstellung der Waffenlieferungen und Ausrüstungshilfe an Israel. Israel führt Krieg, auch mit deutschen Waffen, und das offensichtlich nicht mehr nur in dem Gazastreifen und in der Westbank, sondern auch auf hoher See, in internationalen Gewässern. Deutschland darf diesen Krieg, der insbesondere auch gegen Zivilisten geführt wird, nicht weiter unterstützen.

sofortige Aussetzung des Assoziierungsabkommens der EU mit Israel. Israel tritt die Menschenrechte im Gazastreifen mit Füßen und verstößt somit eindeutig gegen Artikel 2 dieses Abkommens, das die Respektierung von Menschenrechten und demokratischen Prinzipien verlangt. Die Verletzung von Artikel 2 stellt einen Rechtsgrund für die sofortige vollständige Aussetzung des entsprechenden Abkommens dar.

Und hier ist die Bundesregierung gefragt. Sie muss endlich ihre zögerliche Haltung gegenüber dem Völkerrechtsbruch seitens der israelischen Regierung aufgeben und sich nicht weiterhin an der Verletzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts mitschuldig machen.

Während die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton den israelischen Militäreinsatz verurteilt, Frankreichs Außenminister Kouchner sagte, er sei „hochgradig schockiert", Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy Israel einen „unangemessenen Einsatz von Gewalt" vorwarf, Spanien, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, den israelischen Botschafter in Madrid einbestellte und den Zwischenfall als „inakzeptabel" und „äußerst schwerwiegend" bezeichnete und auch in Stockholm und Athen die Botschafter einbestellt wurden, äußerte der deutsche Bundesaußenministers Westerwelle lediglich „tiefe Besorgnis". Das ist angesichts der Situation vollkommen unzureichend!

Ich fordere eine absolut eindeutige Verurteilung des Vorgehens des israelischen Militärs und der israelischen Regierung gegen den Hilfskonvoi nach Gaza. Es handelt sich hier um einen tödlichen militärischen Angriff auf Zivilisten!

Selbst Richard Falk, Professor für Recht und Sonderberichterstatter für die besetzten palästinensischen Gebiete beim UN-Menschenrechtsrat, hat deutlichere Worte gefunden. Im Bericht der heutigen Tageszeitung „junge Welt" steht über Falk folgendes, Falk „bezeichnete im US-amerikanischen Fernsehsender Democracy Now den israelischen Angriff auf die humanitäre Gaza-Flottille als »schockierende Mißachtung des Völkerrechts«. Die »nackte Aggression« widerspreche den »elementaren humanitären Standards«, sie sei »in internationalen Gewässern gegen unbewaffnete Schiffe« verübt worden. Die Begründung Israels, es habe in Selbstverteidigung gehandelt, sei »absurd«. Wenn überhaupt jemand in dem Zusammenhang das Recht auf Selbstverteidigung in Anspruch nehmen könne, seien das »die Leute an Bord der Schiffe«, so Richard Falk. Israel könne sich das nur erlauben, weil die USA weiterhin die »israelische Straflosigkeit« verteidige. Die Blockade des Gazastreifens sei im übrigen Ursache des »kriminellen Vorgehens« Israels. Sie verstoße gegen Artikel 32 der Vierten Genfer Konvention, die Kollektivbestrafung einer Zivilbevölkerung verbiete. Die Menschen im Gazastreifen seien in »einer Zone eingesperrt und werden psychisch und physisch in ihren Lebensgrundlagen (…) bedroht.« Die größte Hoffnung für die Palästinenser seien »nicht Regierungen oder die Vereinten Nationen, sondern die BDS-Kampagne«, die zum Boykott und Sanktionen aufrufe und fordere, nicht in Israel zu investieren. Eine solche Kampagne habe auch das rassistische Südafrika zu Fall gebracht, betonte Falk, der die »etablierten Regierungen« scharf für ihr »unmoralisches Versagen« kritisierte. Sie hätten schon vor Jahren gegen die Gaza-Blockade vorgehen müssen. Nicht Regierungen, sondern »Menschen weltweit vertreten heute das humanitäre Bewußtsein«."

Liebe Freundinnen und Freunde,

liebe Anwesenden!

Wir fordern die deutsche Bundesregierung auf, dass sie öffentlich ein Ende der israelischen Blockade des Gazastreifens fordert. Denn die seit Jahren bestehende Abriegelung des Gazastreifens ist eine Kollektivstrafe für die 1,5 Millionen Menschen in Gaza, die das Völkerrecht ausdrücklich verbietet.

Der Partei DIE LINKE geht es um die Menschen im Gaza-Streifen. Wer darin eine vermeintliche Hamas-Nähe unterstellt, ist an einer Lösung des Konfliktes nicht interessiert. Israel begeht täglich Verbrechen an den Palästinensern in Israel, der Westbank inklusive Ostjerusalem und missachtet alle sie betreffenden UNO-Resolutionen. Die internationale Öffentlichkeit darf diesem Verbrechen nicht länger zuschauen. Die Blockade muss endlich aufgehoben werden!

Vielen Dank!