Ganz einfach auf die kölsche Art

Eine Stadt zeigt unmissverständlich Flagge: Die Fantasie der Demonstranten ließ die Organisatoren des „Anti-Islamisierungs-Kongresses” auf ganzer Linie scheitern. Die Polizei untersagte die Kundgebung von „,Pro Köln” auf dem Heumarkt aus Sicherheitsgründen. Auf dem gähnend leeren Heumarkt wartet ein Häuflein Rechtsextremer vergebens auf die Gesinnungsgenossen (Bild: Grönert) Köln – Es ist eine Mischung aus Verzweiflung und Trotz, wie Manfred Rouhs da auf der Bühne am Heumarkt steht. „Wir bleiben hier, notfalls bis morgen früh“, ruft der Funktionär der rechtsextremen Organisation „Pro Köln“. Es ist Samstagmittag, 12.30 Uhr. Eigentlich sollte der Platz gefüllt sein. Zur Kundgebung des sogenannten „Anti-Islamisierungs-Kongress“ hatten die großmäuligen Ultrarechten 1500 Teilnehmer angekündigt.

Doch vor der Bühne steht ein verlorenes Häuflein. Etwa 30 Rechtsfunktionäre und 20 Neonazis, mehr haben es nicht hierhin geschafft. Damit überhaupt etwas passiert, hat Rouhs zum Mikrofon gegriffen. Sein „Freund und Kamerad“, der italienische Rechtsradikale Mario Borghezio, soll auch noch etwas sagen. Der Politiker der Lega Nord, der vor einigen Jahren in Turin hinterhältig die Lager von Einwanderern anzündete und deshalb wegen vorsätzlicher Brandstiftung verurteilt wurde, hatte bei seinem Eintreffen gebrüllt, Tausende Imame „mit den Werten von Bin Laden“ würden Europa überrollen und zum „Heiligen Krieg“ aufrufen. Doch als Borghezio jetzt zum Mikrofon greift, muss er schon nach wenigen Minuten schweigen. „Die Veranstaltung ist aus Sicherheitsgründen untersagt“, hatte ein Polizeivertreter mitgeteilt.

Das Verbot der Kundgebung besiegelte das Fiasko, in dem der großspurig angekündigte Kongress der Kölner Rechtsradikalen endete. Was zu einem „machtvollen Zeichen“ werden sollte, wurde ein Mega-Flop. Gescheitert sind die ultrarechten Politiker nicht nur am breiten Widerstand der Bevölkerung, sondern vor allem am eigenen Versagen. Durch ihre Weigerung, mit der Polizei zu kooperieren, durch die Unfähigkeit, einfachste Abläufe seriös zu organisieren, haben sie die peinliche Niederlage selbst verschuldet. Schon der Freitag, als sie stundenlang auf der „Moby Dick“ über den Rhein irrten, wurde für die Rechtsextremen zum Desaster.

Am Samstagmorgen um neun Uhr ist der Heumarkt bereits von der Polizei abgeriegelt, als vor dem Dom die erste Protestkundgebung gegen den „Rassisten-Kongress“ beginnt. „Diese braunen Biedermänner sind in Wahrheit Brandstifter, Rassisten im bürgerlichen Zwirn, subtile Angstmacher“, feuert Oberbürgermeister Fritz Schramma eine volle Breitseite ab. „Dieser verfaulten Clique des Eurofaschismus, diesen Haiders und Le Pens und wie sie alle heißen rufe ich zu: Da ist der Ausgang, da geht’s nach Hause. Wir wollen euch nicht!“, ruft der OB, dass selbst dem krawallfreudigen Heinrich Pachl der Mund offen stehen bleibt. Der Kabarettist hat zuvor die freitägliche Irrfahrt der Rechtsradikalen mit der „Moby Dick“ auf dem Rhein aufs Korn genommen: „Der weiße Wal war blau vor Angst. Da hat man ihm zu verstehen gegeben: Bleib lieber auf dem Wasser. Die Geschichte des „Moby Dick“ muss neu geschrieben werden.“

„Köln – nazifreie Stadt“ haben Blockierer im Seidenmacherinnengässchen auf ihr Transparent geschrieben. „Unter Käster“ sitzen vornehmlich Schüler in Fünferreihen und skandieren: „Hier kommt keiner durch.“ Alternative Karnevalisten tragen Pappfiguren herum: „Bunte Funken gegen braune Halunken.“ Hinter den Demonstranten stehen Absperrgitter, die die Polizei bereits in den frühen Morgenstunden aufgebaut hat. Lange bevor sich Tausende meist junge Leute auf die Straßen setzten.

Was tun Sie, wenn hier jemand rein will?“, wird ein Polizist an der Salzgasse gefragt. „Dann lassen wir ihn durch“, lautet die Antwort. Polizeierfahrung helfe dabei, zwischen rechts und links zu unterscheiden. Aber es sind nur wenige, die tatsächlich versuchen, durch die Blockaden zu kommen. Wenn es Auseinandersetzungen gibt, ist die Polizei sofort zur Stelle. Keiner der Blockierer wird weggetragen. Einige Sympathisanten der Rechtsextremen, durch die es zu Rangeleien kommt, werden mit Platzverweisen weggeschickt.

Überall dort, wo nordrhein-westfälische Beamte Dienst tun, ist die Lage weitgehend entspannt. Auswärtige Einheiten wie die bayerische Hundertschaft, die an der Markmannsgasse stationiert ist und sich recht rabiat den Weg durch die Demonstranten bahnt, zeigen weniger Gelassenheit. Vielleicht ist es kein Zufall, dass es gerade an diesem Teil der Blockade zu einem gewaltsamen Zwischenfall kommt. Gespannte Stimmung herrscht auch in Deutz, wo sich linke Autonome mit Steinen bewaffnen, und auf der Rheinuferstraße, wo sich auf sechs Spuren rund 600 Blockierer und die Polizei mit Wasserwerfern gegenüberstehen. Es bleibt beim ritualisierten Muskelspiel.

Auf dem Heumarkt hingegen ist es immer noch gespenstisch leer. Etwa 150 Unterstützer aus Belgien und Österreich werden von der Polizei am Flughafen festgehalten. Die Bahnverbindung zum Hauptbahnhof ist unterbrochen. Demonstranten sitzen in Deutz auf den S-Bahn-Gleisen, und auf der Hohenzollernbrücke fährt für zwei Stunden kein Zug mehr. Pro-Köln-Funktionär Rouhs jedoch hofft weiter auf die Unterstützung der europäischen Verbündeten. „Wir bleiben, bis die Kameraden hier sind“, ruft der Pro-Funktionär über den Heumarkt. Die Neonazis, die auf den Bänken am Rande des Heumarkts sitzen, wirken gelangweilt. Ein Ex-NPD-Funktionär, der sich als „Kameradschaftsführer Nationaler Widerstand Köln“ bezeichnet, beobachtet die türkischstämmige Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen („Die Linke“). Sie hat es trotz aller Blockaden auf den Platz geschafft, gibt ein Interview nach dem anderen und stiehlt der versprengten rechten Schar die Schau. „Demonstrieren Sie doch in Ihrem Land“, ruft ein junger Mann der deutschen Staatsbürgerin zu.

Am Reiterdenkmal des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III. warten zwei Gewerkschafterinnen aus Widdersdorf auf die angekündigte Menschenkette, die es nicht durch die Absperrungen schaffen wird. „Wie sollen wir hier nur wieder raus kommen?“, fragt die eine, während die Polizei ein paar Touristen über den Heumarkt zum Hotel führt.

Ein älterer Mann aus Österreich gibt derweil ein Fernsehinterview: „Ein Skandal“ sei das, was in Köln passiere. Weil er sich durch die Blockade zwängen musste, um an der Kundgebung teilnehmen zu können, habe er nun vielleicht Aids. „Viele dieser Leute sollen ja Aids haben.“

Liedgut für jede Situation

Die Gegendemonstranten sind mittlerweile vom Roncalliplatz zur Arsch-huh-Bühne am Gürzenich gezogen. Es zeigt sich wieder einmal, dass der Kölner für jede Situation das passende Liedgut parat hat. Logisch, dass die Höhner „Mit dem kölschen Pass macht das Leben Spaß“ Richtung Heumarkt schmettern. Einfach leben – und leben lassen. Das Echo lässt nicht lange auf sich warten. Von einer Schar kostümierten kölscher Jecke schallt der Karawane-Gassenhauer – selbstverständlich mit neuem Text versehen – zurück: „Die Blockade geht weiter, kein Nazi kommt durch.“ Das Echo nimmt Höhner-Boss Krautmacher dankbar auf. Nicht ganz unwahrscheinlich, dass man den Song in Kürze auf CD bekommt. So was läuft in Köln immer.

Auf der Bühne vor dem Hard-Rock-Café geben sich Kölns Musiker die Mikrofone in die Hand. Die AG Arsch Huh – verjüngt um Reggae-Star Gentleman und die deutsche Pop-Band „Klee“ – feiert ihre Wiedervereinigung. „Mer fiere euch kapott“, hat Krautmacher als Motto fürs Volksfest gegen die Volkstümelei ausgegeben. Die aus der Türkei stammende SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün, eine der Rednerinnen auf der Gürzenich-Bühne, ruft „Danke, Köln. Kölle alaaf“.

Es ist 12.45 Uhr, der italienische Rechtsradikale Borghezio musste seine Rede auf dem Heumarkt vor wenigen Minuten beenden, als Lautsprecherwagen der Polizei zu den einzelnen Absperrgittern fahren und die Nachricht vom Verbot der „Pro Köln“-Kundgebung unters Volk bringen. Die Durchsage wird mit Jubel und Applaus bedacht. Die Einsatzkräfte der Polizei sind sichtlich erleichtert.

Es dauert noch mehr als dreieinhalb Stunden, bis die Polizei den Heumarkt freigibt. Nach dem hastigen Abbau ihrer Bühne und der Aufgabe der Blockaden bitten die Rechtsextremen um Polizeischutz, um den Platz wieder verlassen zu können. Die Gruppe junger Neonazis wird von Einsatzkräften vom Platz geführt. Die „Pro Köln“-Funktionäre flüchten in ihre Fraktionsräume, einige ihrer wenigen Sympathisanten bleiben zurück. Als Anwohner und Touristen die Tische der Lokale und die Bänke des Platzes bevölkern, setzen sie sich dazu. Als der Alltag zurück auf den Heumarkt kehrt, nimmt sie keiner mehr wahr.