Gedenken heißt: Nein zum Krieg!
„Dieser Krieg, den keines der beteiligten Völker selbst gewollt hat, ist nicht für die Wohlfahrt des deutschen oder eines anderen Volkes entbrannt. Es handelt sich um einen imperialistischen Krieg, einen Krieg um die kapitalistische Beherrschung des Weltmarktes, um die politische Beherrschung wichtiger Siedlungsgebiete für das Industrie- und Bankenkapital." (Schriftliche Erklärung zur Abstimmung von Karl Liebknecht am 2. Dezember 1914)
Anlässlich des 100sten Jahrestages des 1. Weltkriegs hat die Bundestagsfraktion DIE LINKE unter meiner Federführung einen Antrag zu den Ursachen des 1. Weltkriegs erarbeitet. Gerade angesichts der zunehmenden geschichtsrevisionsistischen Debatten, die nach dem Motto verfahren, allen die Schuld und damit niemandem für den 1. Weltkrieg zu geben, Stichwort Christopher Clark, ist es wichtig hier einen Kontrapunkt zu setzen. In unserem Antrag stellen wir zudem die Forderung nach einer Gedenktafel für Karl Liebknecht im Deutschen Bundestag. Wir schlagen vor, Karl Liebknecht stellvertretend für alle Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner zu ehren, weil er es war, der am 2. Dezember 1914 als Einziger sitzen blieb und sich damit einer Zustimmung zu neuen Kriegskrediten verweigerte.
Anlässlich der ersten Lesung im Deutschen Bundestag wurde aber schnell klar, dass alle anderen Fraktionen mit fadenscheinigen Begründungen den Antrag für eine Gedenktafel für Karl Liebknecht ablehnen werden. So sprach die Rednerin der SPD, Hiltrud Lotze von einem „vergifteten Antrag" . Es sei unwürdig, an dem Tag, an dem der Bundestag in einer Feierstunde offiziell des Ersten Weltkriegs und seiner Opfer gedacht habe, „so eine Nummer abzuziehen" . Sie warf der Linksfraktion vor, das Gedenken für parteipolitische Interessen zu missbrauchen. Zudem würde der Antrag der Linken neue historische Forschungen über die Ursachen des Ersten Weltkriegs ignorieren, wenn davon die Rede sei, „dass die wirtschaftlichen Eliten des deutschen Kaiserreiches und seine politische und militärische Führung die Hauptschuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren getragen hätten" . Lotze postulierte, dass es „keine klare Bewertung der Schuldfrage gibt" .
Ulle Schauws von den Grünen wiederum warf unserer Initiative vor, dass diese zu kurz greife. Grundsätzlich seien ja Initiativen zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg zu begrüßen. Eine lebendige Erinnerungskultur sei wichtig, um kriegsverherrlichenden Tendenzen entgegentreten zu können. Die Ablehnung der Grünen begründete sie mit den Worten: „Dazu genügt es aber nicht, eine Gedenktafel für einen Einzelnen zu fordern".
Philipp Lengsfeld (CDU) wiederum zollte Liebknecht Anerkennung, sah ihn in der deutschen Öffentlichkeit vielfach geehrt. „Der Name ist in der deutschen Öffentlichkeit sehr präsent" , so Lengsfeld. Er bemängelte aber den angeblich unkritischen Blick der Linksfraktion auf Liebknecht. Antikommunismus gehöre für ihn zum demokratischen Grundkonsens und die von Karl Liebknecht mitbegründete Kommunistische Partei Deutschlands sei mitverantwortlich für das Scheitern der Weimarer Republik.
So unterschiedlich die Begründungen also von CDU, SPD und Grünen auch waren, in einem fand man sich dann doch zusammen: Es soll keine Gedenktafel für Karl Liebknecht im Reichstagsgebäude, in dem heute der Bundestag zusammentritt, geben. Auch fast hundert Jahre nach seiner Ermordung durch rechtsradikale Freikorpssoldaten unter Billigung ja: Zustimmung des sozialdemokratischen Reichswehrministers Gustav Noske und des sozialdemokratischen Reichskanzlers Friedrich Ebert, nach dem eine Straße benannt ist, die am Reichstagsgebäude vorbeiführt, bleibt Karl Liebknecht und sein NEIN zum Krieg ein Skandalon.
Angesichts der Debatte kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass gerade die offene Bereitschaft zum Krieg der anderen Fraktionen heute eine Ehrung Liebknechts nicht zulässt. So gilt, was wir in unserem Antrag formuliert hatten, dass eben in diesem Land Strukturen fortbestehen, die die Kriegsgefahr in sich tragen: „Der Bundestag bekennt sich zur deutschen Verantwortung und wendet sich gegen eine Deutung, die die Schuld am Ausbruch des Krieges vielen Beteiligten zu gleichen Teilen und damit niemandem konkret zuweist. Eine Entlastung von dieser Verantwortung darf es schon allein deshalb nicht geben, weil wirtschaftliche und geopolitische Interessen, die zum Ersten Weltkrieg geführt haben, strukturell fortbestehen und potenziell kriegsgefährlich bleiben."
Damals wie heute wird eine Zustimmung zu den imperialistischen Kriegen humanitär verbrämt. In meiner Rede hatte ich auf diesen historischen Zusammenhang hingewiesen: „Es war bei weitem nicht nur der rechte Noske-
Flügel der SPD, der den Krieg unterstützte; nein, auch Linke in der SPD wollten den Krieg und fielen auf die Argumente – heute würde man das nennen: die Argumente der humanitären Intervention – herein und rechtfertigten diesen Krieg mit einem notwendigen Feldzug gegen den russischen Zarismus." Es ist kein Zufall, dass das Protokoll hier von Renate Künast (Grüne) heftigen Widerspruch verzeichnet.
Wer Karl Liebknecht ehren will aber, der weiß, dass wie in Bertolt Brechts Gedicht „Die Teppichweber von Kujan-Bulak ehren Lenin" wichtiger als eine Gedenktafel ist, damals wie heute ein Nein zum Krieg. Das ist die Ehrung, die wir Karl Liebknecht zuteilwerden lassen sollten. Damals wie heute: Nein zum Krieg.